Eine besondere Beziehung: Der Hund und der Mensch
Woher die Bindung zwischen Hund und Mensch kommt und was sie so besonders macht
Das Verhältnis zwischen dem Menschen und seinem Hund ist ein einzigartiges: Manch einer vermenschlicht das Tier, andere halten ihren Hund vor dem Haus in einer Hütte - doch generell gilt: Das Verhältnis von Hund zu Mensch und Mensch zu Hund ist in all seiner Individualität ein grundlegend besonderes, das sich über viele Jahrhunderte entwickelt hat. Diese Beziehung zwischen zwei verschiedenen Spezies ist ungewöhnlich, einzigartig, bereichernd – und manchmal auch kompliziert.
Eine uralte Geschichte: Die Beziehung zwischen Hund und Mensch
Diese Beziehung zwischen Mensch und Hund begann vor 40.000 Jahren. Damals war es nicht etwa so, dass die Menschen anfingen, Hunde zu halten – vielmehr kam der Hund zu den Menschen. Schnell lernte er, dass sich in der Nähe der Menschen Fleischreste finden ließen, und hielt sich fortan näher bei ihnen auf. Gleichzeitig merkten die Menschen, dass sie selbst mit der Anwesenheit der (Wolfs-)Hunde sicherer vor anderen gefährlicheren Wildtieren waren. So entstanden die ersten Bindungen zwischen dem ungleichen Paar: Beide profitierten voneinander. Und bis heute werden Hunde in unterschiedlichsten Kontexten als Arbeitspartner genutzt.
Schon nach wenigen Minuten Streicheln eines Hundes wird beim Menschen das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet und das Stresshormon Cortisol reduziert.
Rudelbildung trotz der Unterschiede
Mensch und Hund leben nun zusammen und bilden aus Sicht der Hunde ein Rudel. Und dies macht diese Verbindung so unvergleichlich, denn in den meisten Fällen bilden Tiere keine Rudel mit Mitgliedern einer anderen Spezies. Hunde aber sind offen dafür. So kann ein Hund, der mit einer Herde Schafen aufwächst, diese als Rudel akzeptieren – und sie so ein Leben lang beschützen. Was ihn als Begleiter für den Menschen so attraktiv macht, ist, dass er unkritisch ist. Denn ihm ist es egal, wie sein Halter oder seine Halterin aussieht, welchen Beruf er oder sie ausübt, ob “sein Mensch” arm oder reich ist. Das macht ihn zu einem verlässlichen Begleiter in einer Welt, in der Nähe mitunter ein seltenes Gut werden kann. Ein Hund hat keine Vorbehalte.
Grundlegend für die Beziehung von Mensch und Hund: Einander verstehen
Hund und Mensch leben also seit Jahrhunderten zusammen und sind sich in vielerlei Hinsicht nah. Hunde sind in ihrem Sozialverhalten dem Menschen sehr ähnlich – das macht das Zusammenleben mit ihnen im Vergleich zu anderen Tieren überhaupt möglich. So können Hunde die Mimik eines Menschen lesen und sehen, ob ihre Halter traurig oder gestresst sind. Auch wenn wir mit dem Finger auf etwas zeigen, versteht ein Hund, dass er mit dem Blick dem Finger folgen soll – etwas, was sonst kaum ein Tier kann. Auch können Hunde lügen oder strategisch vorgehen. Und sie sind sehr kooperativ: Kaum ein Tier würde sich so viel beibringen lassen wie ein Hund. Diese Kooperationsbereitschaft legt quasi den Grundstein für die besondere Beziehung.
„Das letzte Kind hat Fell”: Vermenschlichung des Hundes vermeiden
Durch genau diese Ähnlichkeiten, die das Zusammenleben erst möglich machen, kann aber auch eine (schädliche) Vermenschlichung der Tiere entstehen. Ein Hund fühlt sich wohl, wenn klare Hierarchien herrschen, was unter Menschen nicht unbedingt immer positiv gewertet wird. Da kann es mitunter auch befremdlich wirken, den Hund durch Training zu „unterwerfen”. Es ist wichtig, bei aller Menschlichkeit, die ein Hund an den Tag legt, nicht zu vergessen, wen man vor sich hat: ein Tier, das andere Strukturen braucht und sucht, als wir sie haben.
Eine solide Basis gibt Halt – nicht nur dem Hund, auch dem Menschen
Wer mit einem Hund kommuniziert, weiß, dass das was ich tue mehr zählt als das was ich sage. Klare Körpersprache und eindeutige Taten geben ihm Halt. So entsteht eine Bindung zwischen Mensch und Hund, wie es sie kaum mit anderen Tierarten gibt – und selbst unter Hunden in dieser Form nicht. Eine Bindung unterscheidet sich von einer Beziehung darin, dass der Hund den Menschen erkennen und von anderen unterscheiden kann und sich bei komplexen Aufgaben oder in schwierigen, fordernden Situationen an ihn wendet und so Hilfe sucht. Dies nennt man auch den „secure base effect”: In dem Menschen erkennt der Hund die sichere Basis, an die er sich bei Schwierigkeiten oder in Gefahr wenden kann. Eine sichere Bindung ermöglicht es dem Hund, sich offen mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen.
Der Mensch kann auch von seinem Hund lernen
Und andersherum können auch wir uns ebenso offener mit unserer Umwelt auseinandersetzen, wenn wir einen Hund an unserer Seite haben. Die Aufmerksamkeit für die Umgebung wird geschärft, viele Dinge nehmen wir erst wahr, wenn wir mit einem Hund zusammenleben. Er holt uns mehr in den Augenblick. Braucht der Hund etwas, so ist das Bedürfnis unmittelbar. Wir lernen, präsenter und aufmerksamer zu sein – Fähigkeiten, die auch außerhalb der Beziehung zum Hund extrem hilfreich sein können. Und: Ein Hund bringt einen dazu, die Dinge mal “gut sein” zu lassen. Der Dreck aus dem Wald kommt in die Wohnung, Haare auf den Mantel, muffiger Geruch nach dem Regenspaziergang mit ins Haus: Wir lernen, gelassener mit diesen Zuständen umzugehen. Und ein Hund erinnert uns immer wieder daran, wie schön es ist, sich um ein anderes Lebewesen zu kümmern. „Das letzte Kind hat Fell”: hier geht es nicht darum, den Hund zu vermenschlichen, sondern genau um dieses Gefühl des bedingungslosen Kümmerns, das ein unerwartetes, wohliges Gefühl von Erfüllung geben kann.
Letztlich geht es darum, wieder ein vernünftiges Verhältnis zum Hund zu bekommen und zu verstehen, dass er möglicherweise zwar ein Seelenverwandter ist, aber dass [...] der Hund immer noch Hund ist, und nicht ein kleiner Mensch auf vier Pfoten.
Psychologe Rainer Wohlfahrt, der sich auf die Mensch-Hund-Beziehung spezialisiert hat