Fitness- und Bewegungs-Tipps für Hundehalter
Im Interview erklärt der Sportwissenschaftler Dr. Hielscher-Zdzieblik, wie die Liebe zum Vierbeiner die körperliche Aktivität bei Mensch und Tier steigern und zu einem gesünderen Lebensstil beitragen kann
Die meisten Hundehalter bewegen sich mehr als Menschen ohne Hund. Dabei scheint die Rasse des Hundes keinen großen Einfluss zu haben. Wichtiger für das Bewegungsverhalten ist die Beziehung des Menschen zum Tier: Je enger die Bindung, desto längere Zeit sind „Herrchen“ oder „Frauchen“ mit dem Vierbeiner im Freien unterwegs. Dass diese drei Aussagen heute als gesichert gelten – jedenfalls für unsere Breiten –, ist Dr. Benedikt Hielscher-Zdzieblik zu verdanken. Der in Bergkamen im Ruhrgebiet aufgewachsene Sportwissenschaftler untersuchte mehrere Jahre lang das Bewegungsverhalten von Hundehaltern. Das Ergebnis, die ersten empirischen Studien dieser Art für Deutschland, brachte dem 33-jährigen Forscher an der Deutschen Sporthochschule Köln den Doktortitel ein (Gutachter: „Fitness-Papst“ Prof. Dr. Ingo Froboese).
Unser Interviewpartner
Der Sportwissenschaftler Dr. Benedikt Hielscher-Zdzieblik, Jahrgang 1990, wuchs in Bergkamen im Ruhrgebiet auf. Er studierte in Köln und Freiburg und wurde 2023 an der Deutschen Sporthochschule in Köln mit seiner Untersuchung zum Bewegungsverhalten von Hundehaltern promoviert (1. Gutachter: Prof. Dr. Ingo Froboese, 2. Gutachter: PD Dr. Dr. habil. Udo Gansloßer). Dr. Hielscher-Zdzieblik ist heute an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel für das strategische Gesundheitsmanagement der Mitarbeiter verantwortlich.
Herr Dr. Hielscher-Zdzieblik: Wenn man etwas fitter werden möchte und sich aber allgemein ungern bewegt, ist dann ein Hund eine gute Option, um besser in Form zu kommen? Am besten vielleicht ein junger Schäferhund, der vor Energie nur so sprüht?
Es könnte ein erster Schritt sein, um Fitness aufzubauen. Ein junger Hund wäre für die Person aus Ihrem Beispiel eine mögliche Wahl – jedenfalls aus der Perspektive meiner Untersuchung. Welche Hunderasse genau angeschafft werden soll, sollte dann entsprechend der persönlichen Vorlieben und des eigenen Lebensstils entschieden werden. Ein Schäferhund würde vermutlich zu mehr Bewegung führen als kleinere, weniger aktive Hunderassen oder ein Hund, der potenziell gesundheitliche Probleme hat. Aber grundsätzlich würde ich nicht zu einer bestimmten Hunderasse raten. Diese individuellen Fälle müssen dann auch im Einzelfall geklärt werden. Anfangen sollte man mit einem Welpen bzw. einem Junghund, und man sollte es mit der Bewegung nicht übertreiben. Das eigene Bewegungsverhalten ändert sich dann wahrscheinlich automatisch.
Warum führen „große Gefühle“ zum Hund zu mehr Bewegung?
Darüber kann ich heute nur spekulieren. Das könnte Thema einer weiteren Studie sein. Jedenfalls haben die Befragungen und Messungen ergeben, dass Hundehalter, die sich dem Hund näher fühlen als andere, tendenziell mehr mit dem Tier unterwegs sind als die Vergleichsgruppe. Warum das so ist? Vielleicht glauben die Halter mit der engeren Beziehung zum Hund, dass Hunde generell viel Bewegung brauchen und dass sie ihrem Tier auf diese Weise etwas Gutes tun. Dabei ist wissenschaftlich gesehen umstritten, ob Hunde sich selbst viel bewegen wollen oder ob das relevant für ihre Gesundheit ist. Frei lebende Hunde bewegen sich jedenfalls eher wenig.
Ist mehr Bewegung an der frischen Luft oft ein Motiv für die Anschaffung eines Hundes?
Mehr Bewegung wurde bei unseren Erhebungen oft als Beweggrund für die Anschaffung des Hundes genannt – sogar am zweithäufigsten hinter sozialen Aspekten, wie zum Beispiel einen guten Freund zu finden oder einen Ersatz für ein Kind. Auf Platz drei folgte eine allgemeine Affinität Tieren oder speziell Hunden gegenüber. Im Ganzen gesehen wurden eine Art Selbstverpflichtung zu körperlicher Aktivität durch die Anschaffung des Hundes und/oder emotionale Gründe von vielen Befragten als Motiv genannt.
Kann man sagen, dass über das Plus an Bewegung Hundehalter ihre Gesundheit generell fördern?
Das ist eine schwierige Frage. Uns hat besonders interessiert, ob Hundehalter die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO erfüllen. Heraus kam, dass fast alle Hundehalter aus unserer Studie die WHO-Empfehlungen über die Dauer der körperlichen Aktivität erfüllten – und auch, was den Aspekt der Regelmäßigkeit der Bewegung betrifft. Andererseits gingen die meisten Probanden als Ausdruck ihrer Aktivität mit dem Hund eher ruhig spazieren, das heißt, sie waren nur auf einer niedrigen Intensität körperlicher Belastung unterwegs.
Was genau empfiehlt die WHO bezüglich körperlicher Bewegung?
Regelmäßig ein gewisses Maß an moderater und an intensiver körperlicher Belastung. Die WHO empfiehlt zur Erhaltung der Gesundheit pro Woche 150 Minuten moderate körperliche Aktivität oder 75 Minuten intensive Aktivität, oder aber einen gleichwertigen Mix aus beidem. Moderate Belastung bedeutet, dass man bei einer Tätigkeit wie Joggen ein wenig ins Schwitzen gerät, bei leicht erhöhter Atmung, aber ohne sich zu verausgaben. Das ist auch das, was mein Doktor-Vater Professor Froboese mit der Formel „Laufen ohne zu schnaufen“ meint. Intensive Belastung bedeutet ab etwa 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz, die man für gesunde Menschen nach der Faustregel 220 minus Lebensalter berechnen kann. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, weil es deutliche individuelle Abweichungen nach oben oder unten geben kann. Ein Beispiel: Für 40jährige beträgt die maximale Herzfrequenz etwa 180 Schläge pro Minute, der ideale Puls bei intensiver Belastung läge dann bei rund 144 Schlägen pro Minuten. Ob dieser Bereich der Herzfrequenz aber auch tatsächlich für jemanden geeignet ist, sollte vorher mit einem Arzt oder einer Ärztin abgeklärt werden. Insgesamt wurde die empfohlene Dauer der Bewegung durch die allermeisten Probanden erreicht, die Intensität nicht.
Sind also Hundespaziergänge aus gesundheitlicher Sicht letzten Endes sinnlos?
Nein. Neuere sportwissenschaftliche Studien zeigen, dass auch leichte körperliche Aktivität gut für die Gesundheit ist. Das hieße also: Ja, selbst wenig intensive Hundespaziergänge wirken positiv. Und wir wissen ja jetzt, dass Hundehalter wesentlich häufiger und länger spazieren gehen als die meisten Menschen ohne Hund. Deshalb glaube ich, dass viele Hundehalter für weitergehende Bewegungsempfehlungen empfänglich sind, soweit sie sich in Hundespaziergänge integrieren lassen.
Welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Fitness gibt es?
Die einfachste Möglichkeit zur Verbesserung der Fitness ist die, beim Hundespaziergang das Tempo etwas zu erhöhen. Wenn ich schon draußen bin, warum soll ich dann nicht mich und den Hund ein wenig fordern? Man kann sich das wie den Übergang vom leichten Gehen zum Walken oder Joggen vorstellen – nur eben mit Hund. Wenn ich das jeden Tag gut 20 Minuten mache, also nur bei einem meiner täglichen Spaziergänge mit dem Hund, und dabei leicht ins Schwitzen komme habe ich mein WHO-Wochenpensum schon fast erreicht. Und wenn ich die Strecke so einrichten kann, dass ich an einer Parkbank vorbeikomme, sind einfache Kraft- und Fitnessübungen möglich, mit denen man ein paar Minuten die Körperkraft trainieren kann. Zum Beispiel Liegestütze oder Dips rücklings an der Bank. Oder ein paar andere einfache Übungen, ganz ohne Geräte, wie zum Beispiel Kniebeugen, Skippings, Hampelmann, die die Herzfrequenz kurzfristig auch einmal etwas höher schießen.
Sind diese Übungen für Jeden geeignet?
Als Anfänger sollte man vorher seinen Arzt befragen. Natürlich muss man auch den Hund daran gewöhnen, dass mancher Spaziergang jetzt ein klein wenig anders gestaltet wird als sonst. Dass er dann also eine Zeit lang richtig laufen muss und weniger schnüffeln darf. Heute leiden in Deutschland immer mehr Hunde an Übergewicht, deshalb tut die Erhöhung der Intensität beim Spaziergang in der Regel auch dem Tier gut.
Welche Möglichkeiten gibt es, mit Aktivitäten, die auf den Hund zugeschnitten sind, die Bewegungsintensität zu erhöhen? Ballspiele?
Über Spiele mit dem Hund die eigene Fitness zu verbessern, ist nicht einfach. Bei Ballspielen ist ja vor allem der Hund in Bewegung und man übertreibt es auch leicht, was dem Hund oft nicht guttut. Für den Hund ist das immer Arbeit, deshalb sprechen wir in unserer Studie auch nicht von Ball-Spiel sondern von Ball-Arbeit. Canicross – Geländelauf mit Hund – ist da schon besser. Eine ziemlich sichere Sache ist Agility, eine Hunde-Sportart für gesunde, fitte, ausgewachsene Tiere. Der Hund läuft dabei einen sportlichen Parcours und der Halter läuft nebenher. Ich denke aber, dass dabei die sportliche Herausforderung für den Menschen nicht zwangsläufig ausreichend sein muss. Eine Runde dauert oft nur zwei bis drei Minuten, und da man den Sport meist zusammen mit anderen hintereinander betreibt, kommt man nur auf wenige Läufe pro Stunde. Man müsste für den Hundehalter also zusätzliche Elemente wie Joggingeinheiten oder ein spezielles Intervalltraining einbauen, um einen Fitness steigernden Effekt zu erreichen.
Haben Sie selbst einen Hund?
Ich bin mit einem Hund aufgewachsen und möchte gern wieder einen haben, wenn es zur Lebenssituation passt. Dazu gehört auch, dass für mich klar ist, wie mein Hund während meiner Arbeitszeit betreut wird. Einen Hund den ganzen Arbeitstag lang allein zu Hause lassen, würde ich ungern tun.