Oft hört man von Hundehaltern, man sollte den Hund nur richtig „auspowern“, dann würden sich Probleme beim Schlafen oder Alleinlassen schon geben. Warum Sie richtiges Auslasten dem Auspowern vorziehen sollten, erklärt die Hundetrainerin Kathrin Sowada im Interview. Erfahren Sie, was zum richtigen Auslasten gehört und warum es von Hund zu Hund verschieden ist.
Kathrin Sowada ist zertifizierte Hundetrainerin und Halterin ihres Mischlingsrüden Negrito. In ihrer Hundeschule Kasorito bietet sie Einzeltraining, Welpenschule, Junghundekurse und Spielstunden an. Auch spezielle Kurse zum richtigen Auslasten gehören zum Programm.
Die Hundetrainerin arbeitet mit dem Fokus auf dem gewünschten Verhalten. Aus diesem Grund ist ihr eine positive Zielsetzung ganz wichtig, also "Was soll der Hund tun?" anstelle von "Was soll er nicht tun?". So bekommt der Halter eine klare Vorstellung, hat mehr Spaß beim Training und der Hund kann gewünschtes Verhalten viel leichter umsetzen, wenn es klar definiert ist und er weiß, was von ihm erwartet wird.
Frau Sowada, worum geht es bei der richtigen Auslastung von Hunden?
Auslastung bei Hunden bedeutet ganz allgemein, auf die individuellen Bedürfnisse eines Hundes einzugehen. Man unterscheidet dabei drei Bereiche:
- körperliche Auslastung
- geistige Auslastung und
- Sozialkontakte
Das bedeutet: Der Hund sollte jeden Tag angemessene Bewegung, geistige Herausforderungen sowie Spaß am sozialen Miteinander mit dem Hundehalter und den Artgenossen bekommen – so wie es seiner Rasse und individuellen Natur angemessen ist.
Warum müssen Hunde ausgelastet werden?
Unsere Hunderassen wurden meist zu einem bestimmten Gebrauchszweck gezüchtet. Wir unterscheiden zum Beispiel in
- Hütehunde, die eine Schafherde zusammenhalten und durchs Gelände führen,
- Jagdhunde, die bei der Jagd unterstützen oder
- Wachhunde, die den Hof bewachen und beschützen.
Je nach ihrer zugedachten Aufgabe, haben Hunderassen so unterschiedliche Merkmale herausgestellt. Dazu zählt etwa die Fähigkeit, auch unter Anspannung mucksmäuschenstill sein zu können oder Beute zu apportieren, ohne sie dabei mit den Zähnen zu verletzen. Auch Hütehunde wie Border Collies oder Schäferhunde zeigen individuelle Merkmale und verhalten sich entsprechend. Heute werden Hunde jedoch meist als Familienhunde im Haushalt gehalten, ohne das Ziel, den Hund bestimmte Aufgaben erfüllen zu lassen. Eine passende Alternative ist daher unabdingbar für ein harmonisches Miteinander.
Unsere Hunde haben jedoch noch immer ihre Grundveranlagung. Die gilt es im täglichen Zusammenleben auch zu befriedigen – das gehört zu einer artgerechten Haltung dazu. Deswegen müssen Hundehalter die speziellen Bedürfnisse ihrer Hunde kennen.
Bei einem Hund einer bestimmten Rasse ist es meist relativ einfach, seine Bedürfnisse abzuleiten. Jagdlich motivierte Hunde etwa brauchen neben viel Bewegung auch Möglichkeiten, ihr Jagdverhalten kontrolliert auszuleben, zum Beispiel über Apportiertraining und Nasenarbeit. Hütehunde freuen sich neben körperlichen Aktivitäten auch über Beutespiele wie etwa Treibball.
Wie erkenne ich bei Mischlingen, welche Auslastung mein Hund braucht?
Der überwiegende Teil der Hunde, die in unseren Haushalten leben, sind tatsächlich Mischlinge. Da kommen dann zwei oder mehrere Charaktere zusammen. Hier sollten Hundehalter ihre Hunde mit ihren Vorlieben, Eigenschaften und Fähigkeiten von Anfang an gut kennenlernen. Das gilt natürlich nicht nur bei Mischlingen sondern bei jedem Hund. Unabhängig von der Genetik spielt immer der individuelle Charakter des Hundes eine Rolle und entscheidet darüber, was ihm Spaß macht.
Tipp: Je nach Herkunft des Hundes unterstützen Tierschutzorganisationen, Tierheime, Züchter und natürlich auch Hundetrainer gerne bei Wahl des Hundes und achten dabei darauf, dass der Charakter des Hundes auch zu dem des Halters passt.
Bieten Sie Ihrem Hund Aktivitäten an und beobachten Sie, wie er mitmacht. Vielleicht liebt es Ihr Hund zu wandern oder zu joggen oder er hat Spaß an Agility. Wichtig dabei:
Denken Sie daran, dass Ihr Hund eine Grundkondition aufbauen muss und überlasten Sie ihn nicht bei neuen Aktivitäten.
Das gilt ganz besonders am Anfang des Trainings.
Gibt es grundsätzliche Regeln beim Auslasten?
Ja, die gibt es. Im Grunde genommen sollte jeder Hund täglich körperlich und geistig ausgelastet werden. Außerdem ist es wichtig, dass jeder Hund so oft wie möglich Kontakt zu Artgenossen hat. Dafür gibt es auch unterschiedliche Angebote von Hundeschulen, die Sie nutzen und die einen Impuls geben können. Für Sozialkontakte ist es beispielsweise wichtig, dass Ihr Hund lernt, wie er sich bei Kontakt mit anderen Hunden angemessen verhält. Am besten startet man damit direkt im Welpenalter, weil in dieser Phase sämtliche Verhaltensweise, die fürs spätere Leben wichtig sind, spielerisch erlernt werden. Der Besuch eines Welpenkurses und/oder der Besuch von begleiteten Spielstunden ist da sicherlich das erste Mittel der Wahl.
Wir Menschen sind zwar Sozialpartner für unsere Hunde, können aber andere Hunde nicht völlig ersetzen.
Auch wenn Sie selber eher keine Kontakte suchen, sollten Sie Ihrem Hund auf den täglichen Gassirunden immer mal wieder Sozialkontakte ermöglichen – natürlich nur nach Absprache mit dem anderen Halter und bei gegenseitiger Sympathie. Nicht jede Hundebegegnung eignet sich für ein gemeinsames Spiel. Da gilt es, den eigenen Hund und die jeweilige Situation gut einschätzen zu lernen.
Ganz wichtig: Versuchen Sie beim Spaziergang mit Ihrer Aufmerksamkeit voll beim Hund zu sein. Viele Hundehalter nutzen den Spaziergang, um ihre Gedanken schweifen zu lassen. Sie sind möglicherweise schon bei den nächsten Aufgaben: Was ist noch zu tun? Was muss ich heute noch erledigen? Der Spaziergang mit dem Hund sollte jedoch eine Zeit sein, in der Sie sich ganz auf Ihren Hund konzentrieren und sich gemeinsam mit Ihrem Hund beschäftigen.
Was können Hundehalter konkret tun, um ihren Hund richtig auszulasten?
Wie viel Auslastung Ihr Hund braucht, ist individuell unterschiedlich. Bieten Sie immer Beschäftigung an. Möchten Sie Ihren Hund kognitiv auslasten, können Sie zum Beispiel ein kleines Denkspiel einplanen, bei dem Ihr Hund seine kognitiven Fähigkeiten über die Nase trainiert. Dazu können Sie eine kleine Fährte legen und einen Snack verstecken, den der Hund dann sucht. Am Anfang verstecken Sie ihn noch im unmittelbaren Umfeldund lassen Ihren Hund beim Verstecken zuschauen, im weiteren Verlauf steigern sie den Abstand zum Hund nach und nach.
Für seine motorischen Fähigkeiten können Sie Ihren Hund um Hindernisse gehen oder auf einer Mauer oder auf – trockenen – Baumstämmen balancieren lassen. So lasten Sie Ihren Hund ganz nebenbei hinsichtlich seiner Geschicklichkeit aus.
Zu viel oder zu wenig – wann ist der Hund richtig ausgelastet?
Der eigene Hund selbst ist der perfekte Indikator, um herauszufinden, ob er genug oder zu wenig ausgelastet ist. Ruhe- und Rastlosigkeit und andauerndes Bellen, aber auch gesteigertes Aggressionsverhalten können ein Ausdruck für fehlende oder falsche Auslastung sein und bringen die Langeweile und den Frust zum Ausdruck. Aber auch Entspannung ist ein wesentlicher Aspekt. Ein erwachsener Hunde hat jeden Tag bis zu 20 Stunden Ruhe- und Schlafphasen, in denen er entweder tatsächlich schläft oder sich – gerade tagsüber – entspannt ablegt und so zur Ruhe kommt. Stellen Sie fest, dass Ihr Hund überhaupt nicht zur Ruhe kommt, ist er nicht im Gleichgewicht.
Ist der Hund unterfordert, sucht er sich vielleicht selbst Beschäftigungen. Hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Da wird dann schon mal das Haus neu „dekoriert“ oder die eine oder andere Aufgabe zu ernst genommen wie beispielsweise beim jagdlich motivierten Hund, der mit Vorliebe jedem Bewegungsreiz hinterhergeht und auch vor Autos keinen Halt macht.
Den Hund auszupowern ist also keine gute Idee?
Nein, es ist ganz wichtig, den Hund entsprechend seiner Rasse, seinem Alter und seinen individuellen Vorlieben auszulasten. Das gehört zu einer artgerechten Hundehaltung dazu. Wenn Sie Ihren Hund einfach nur durch einseitige Aktivität oder zu viel Aktion erschöpfen, bewirkt dies oft genau das Gegenteil. Der Hund kommt dann beispielsweise überhaupt nicht zur Ruhe oder hat Schwierigkeiten allein zu bleiben. Das Ziel des Auslastens ist es nicht, den Hund zu erschöpfen, sondern dass seine Ansprüche an Bewegung, geistige Beschäftigung und ein soziales Miteinander befriedigt sind. Dann ist er ausgeglichen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die RINTI-Redaktion