Hundesprache – warum es wichtig ist, die Signale Ihres Hundes erkennen zu können
Hundetrainer Bernd Baron erklärt im Interview, warum Hundehalter die Sprache ihres Hundes lernen sollten
Hunde und Menschen kommunizieren miteinander – doch sie sprechen unterschiedliche Sprachen. Warum es wichtig ist, die Sprache unserer Hunde zu verstehen, und auf welche Signale Hundehalter achten sollten, erklärt Hundetrainer Bernd Baron hier im Interview.
Ein Interview mit Bernd Baron – ein Hundetrainer, der für faires Hundetraining wirbt
Bernd Baron ist zertifizierter Hundetrainer, der seit über 15 Jahren Hunde trainiert und sich gewaltfreie Trainingsmethoden auf die Fahne geschrieben hat. Trainieren statt dominieren – diesem Leitsatz haben sich Bernd Baron und weitere Hundetrainer verpflichtet. Bernd Baron versteht sich in seinen Trainings auch als „Anwalt des Hundes“ und versucht Haltern die Perspektive des Hundes näherzubringen. Durch seinen eigenen Hund hat sich die Leidenschaft zum Hundetrainer entwickelt. In über 430 Schulklassen konnte er mit seinem Rüden Buddy den Kindern die „Angst vorm großen Hund“ nehmen. Als selbstständiger Trainer hilft er Hundehaltern außerdem in Einzeltrainings.
Herr Baron, warum sollten Hundehalter sich mit der Sprache ihres Hundes beschäftigen?
Wer weiß, wie sein Hund kommuniziert, versteht ihn besser und kann genauer einschätzen, wie es dem Hund geht. Dafür müssen Hundehalter sich mit der Hundesprache beschäftigen. Die Kommunikation von Mensch und Hund unterscheidet sich nämlich: Die Hauptsprache der Menschen ist die gesprochene Sprache. Bei Hunden ist dies ganz anders: Sie kommunizieren hauptsächlich durch ihre Körpersprache, und die Laute kommen erst danach. Unsere Hunde beobachten uns sehr genau und können uns sehr gut lesen. Um sie besser zu verstehen, sollten wir sie umgekehrt genauso aufmerksam beobachten.
Die Körpersprache des Hundes zu kennen, ist für Hundehalter wichtiger als die Kommandos Sitz, Platz, Fuß.
Definition: Was ist Hundesprache?
Mit dem Begriff Hundesprache wird oft die Gesamtheit der körperlichen und akustischen Signale bezeichnet, die Hunde einsetzen, um mit Artgenossen, anderen Tieren oder Menschen zu kommunizieren.
Was gehört zur Hundesprache?
Wir können unterscheiden zwischen der Körpersprache des Hundes, die wir hören (akustische Signale) und der, die wir sehen (Körperbewegungssignale).
- Die akustischen Signale, die der Hund von sich gibt, sind etwa: Bellen, Jaulen oder Knurren.
- Dazu kommen die sichtbaren Körperbewegungssignale: Bewegungen der Rute, Ohrenbewegungen, Muskelanspannungen und Mimik.
Von der Nasenspitze bis zur Rutenspitze senden Hunde an ihre Artgenossen und Menschen Signale.
Schaut man sich Filmaufnahmen der Bewegungen von Hunden einmal in Zeitlupe an, sieht man, wie feinfühlig und differenziert Hunde kommunizieren können und zeigen, wie sie sich in einer Situation fühlen. Die Körpersprache wird mitunter durch Knurren, Winseln oder Bellen unterlegt.
Wichtig: Hunde sind immer ehrlich und unverfälscht in ihrer Kommunikation. Dies ist aus meiner Sicht mit ein Grund, weshalb Menschen überhaupt Hunde halten. Ein Hund ist ein Gegenüber, bei dem wir wissen: Es nimmt die Situation so, wie sie ist. Wenn ihm etwas nicht gefällt, dann zeigt er es, und genauso, wenn er fröhlich ist. Deshalb sage ich oft zu Hundehaltern: Schauen Sie genau hin! Fixiert Ihr Hund jemanden oder etwas mit seinem Blick und fängt an zu grummeln? Dann ist genau die fixierte Person oder der Gegenstand gemeint – warum auch immer. Gibt es ein Problemverhalten, beispielsweise weil der Hund knurrt, dann gibt die Blickrichtung einen Hinweis auf die Ursache.
Die Signale der Hundesprache können sehr spezifisch sein
Es lohnt sich für Hundehalter, genau hinzusehen und hinzuhören. Denn Bellen ist zum Beispiel nicht gleich Bellen. Als Halter kennen Sie das Bellen Ihres Hundes und wissen, dass es ganz unterschiedlich klingen kann. Hunde bellen etwa als Teil ihres Territorialverhaltens, wenn jemand das Grundstück betritt. Völlig anders klingt es, wenn der Hund alleine im Haus bleibt und bellt, weil er sich unsicher und alleingelassen fühlt. Aggressives Bellen klingt völlig anders als ein Bellen um Hilfe. Hunde können außerdem bellen und dabei die Zähne zeigen, sie bellen aber auch mit fast geschlossenem Maul. Auch die Tonhöhe passen sie je nach Situation an.
Daneben können Hunde jaulen, wenn sie sich unwohl fühlen. Es gibt auch richtiges Heulen, wie es vor allem Huskys machen. Dies sind meist sehr hohe Töne.
Bei Begegnungen bedeuten hohe Töne (z.B. Fiepen): Kontakt ist erwünscht, nicht nur bei Menschen, auch bei anderen Hunden. Tiefe Töne (z.B. Knurren) heißen: Kontakt ist nicht erwünscht.
Dann sollte man Abstand halten. Mit Knurren drückt der Hund in erster Linie aus, dass die Situation für ihn gerade unangenehm ist. Deswegen kommt von ihm ein dunkles Geräusch, mit dem er dies mitteilt. Auslöser kann auch etwa eine Laterne sein oder eine Mülltonne, die der Hund sieht und nicht einordnen kann. Er zeigt an: Ich fühle mich unwohl und kann die Situation nicht einschätzen. Dann braucht es vom Halter kein „Schluss, aus!“, sondern eher: „Hey, was ist los? Ich bin bei dir, alles ist gut, und ich helfe dir.“
Wichtig: Knurren ist Kommunikation und Ausdruck einer Emotion. Bestrafen Sie daher niemals Ihren Hund, wenn er knurrt. Durch Bestrafung können Sie seine Emotion nicht ins Positive verändern. Seien Sie froh, dass Ihr Hund so deutlich kommuniziert.
Welches sind weitere Signale bei der Körpersprache von Hunden?
Mit ihrem Gesicht geben Hunde noch auf andere Weise Signale. Blinzeln, Gähnen, über den Fang Lecken, Kopf Wegdrehen und natürlich die Bewegungen der Ohren. Sehr bekannt ist das sogenannte Zähnefletschen, bei dem der Hund die Lefzen hochzieht. Dieses ist meistens eine Drohgebärde, aber nicht immer, denn es gibt auch Hunde, die grinsen können so wie wir. Der Unterschied liegt in der Körperspannung. Beim Grinsen ist die Körperspannung weich und locker, bei der Drohgebärde sind die Muskeln angespannt. Es gibt eine Art Eskalationsleiter beim Hund: Diese fängt mit der Ruheposition an und geht über leichte Beschwichtigungssignale, über Weggehen, starke Beschwichtigungssignale, Einfrieren, Bellen, Knurren, Drohhaltung, Zähne zeigen, in die Luft schnappen, zwicken, gehemmtes Beißen bis zum ungehemmten mehrmaligen Zubeißen.
Bevor ein Hund beißt, hat er viele andere Signale gezeigt.
Es gibt defensives und offensives Drohen von Hunden
Nicht immer ist die Drohgebärde aggressiv, auch ängstliche Hunde zeigen oft Drohgebärden, sie sind dann defensiv. Bei offensiven Drohgebärden ist in der Körpersprache alles nach vorne gerichtet: Kopf, Hals und Ohren werden nach vorne gerichtet. Die Beine sind durchgedrückt und der Körperschwerpunkt ist nach vorne gerichtet. Die Rute ist angespannt und wird hoch getragen. Die Ohren zeigen nach vorne. Die Zähne werden mit spitzem Maulwinkel gebleckt. Defensive Drohgebärden sehen für uns Menschen oft gefährlicher aus, weil das Maul weiter offen steht. Doch hier ist alles rückwärtsgerichtet. Das heißt Vorderbeine drücken den Körper zurück. Die Ohren sind eventuell komplett nach hinten angelegt. Die Rute ist abgesenkt oder wird zwischen den Hinterbeinen gehalten, oft sind die Augen weit aufgerissen. Der ganze Hund ist eher auf dem Rückzug.
Beim Beurteilen der Körpersprache sollte man immer den ganzen Hund beobachten: Schulterblätter, Muskulatur, Ohren und Rute.
Das ist sehr wichtig, denn interessanterweise gibt es auch Hunde, die ganz entspannt und mit weicher Muskulatur liegen und dabei „knurren“. Das ist dann keine Drohgebärde sondern ein Wohlfühl-Brummen. Ja, auch so etwas gibt es bei einigen Hunden.
Wedeln mit der Rute
Fälschlicherweise wird das Wedeln mit der Rute immer noch als ein nur freundliches Signal gewertet. Doch der Hund zeigt damit erst einmal nur eine gewisse Erregung an. Diese kann sehr vielfältig sein. Bei Freude wackelt oft das ganze Hinterteil mit, und die Rute wird waagerecht oder höher getragen. Der ganze Hund ist von der Muskulatur weich.
Dann gibt es Hunde, die wedeln sehr tief. Das bedeutet, dass die Rute nach unten zeigt und dort heftig wedelt. Dies ist bei den meisten Hunden ein stark beschwichtigendes Verhalten. Ein Hund, der mit steil nach oben gerichteter Rute leicht wedelt und das bei angespannter Muskulatur und oft fixierendem Blick, wedelt auch mit der Rute und ist doch meilenweit davon entfernt, sich gerade zu freuen.
Ein Hund knurrt mich an – was soll ich tun? Haben Sie einen Tipp?
Als Allererstes stehen bleiben und den Blick abwenden. Das ist ganz wichtig aus Hundesicht, denn so können Sie die Situation deeskalieren. Möchten Sie eine Verhaltensänderung beim Hund erreichen, so müssen Sie dem Hund mitteilen, dass von Ihnen keine Gefahr ausgeht. Wenden Sie Ihren Blick ab und gehen Sie dann dabei langsam rückwärts, diese Distanzvergrößerung kann dem Hund helfen.
Viele Menschen wollen ihre Hände in Sicherheit bringen und bewegen dabei die Arme stark. Das macht den Hund eventuell nervös. Mein Rat ist immer: „Verhalten Sie sich wie eine Straßenlaterne. Die kann sich nicht bewegen, die kann mit dem Hund nicht sprechen und die kann ihn auch nicht angucken.“
Wie ist es zu verstehen, wenn ein Hund mich anspringt?
Es gibt viele Missverständnisse zwischen Hund und Mensch – und das Anspringen ist solch ein Beispiel. Aus Hundesicht ist es in den allermeisten Fällen erst einmal nur freundlich gemeint: Anspringen, um Kontakt aufzunehmen.
Der Hund kann seine Freude gar nicht in sich halten und muss da irgendwie hoch. Der Hund spielt, wie er ist, nämlich auf Hundeart. Dabei kann es dann vorkommen, dass ein großer Hund eine kleine Person fast umwirft. Und viele Menschen empfinden das Anspringen nicht als angenehm. Es ist also eine Sache des Trainings, dem Hund beizubringen, dass vier Pfoten auf dem Boden mehr Zuneigung bringen als zwei Beine am Boden.
Oft ist die Rede von Beschwichtigungssignalen. Was ist das?
Ja, Hunde kennen eine ganze Bandbreite an sogenannten Beschwichtigungssignalen.
Die wichtigsten Beschwichtigungssignale sind:
- Blick abwenden und Kopf zur Seite drehen
- gähnen
- über den Fang lecken
- eine Vorderpfote anheben
- mit den Augen blinzeln
- hinlegen
Es sind sehr viele solcher Signale bekannt – ein riesiges Repertoire der Hunde, die diese Beschwichtigungssignale von Geburt an natürlicherweise können. Das heißt: Das muss kein Hund erst lernen. Die ersten Beschwichtigungssignale können sie schon als Welpen. Dies ist ein Erbe von den Wölfen, denn in der freien Wildbahn überleben die Wölfe länger, je besser sie deeskalieren können. Eine Prügelei in der freien Natur unter Artgenossen bedeutet Verletzungen, die oft tödlich enden können. Es geht also darum, gar nicht erst verwundet zu werden.
Was sind Übersprungshandlungen beim Hund, von denen man öfter hört?
Zu Übersprungshandlungen kommt es bei Hunden, wenn sie sich in einer für sie ungewohnten und aufregenden Situation befinden. Dann kommt es typischerweise zu einer der Handlungen, die die Vier F’s genannt werden:
- Flight (fliehen)
- Fight (angreifen)
- Freeze (erstarren)
- Fiddle (herumalbern/zappeln)
Beobachten wir einen Hund beim Zappeln, ist die Situation daher nicht immer lustig, auch wenn sie oft so wirkt. Beim Zappeln kann es dem Hund auch schlecht gehen, er weiß nicht, was er machen soll und zappelt aufgeregt herum.
Es kann auch vorkommen, dass der Hund bei einer Übersprungshandlung alle „Tricks“ auf einmal zeigt. Dieses Verhalten zeigt, dass er mit der Situation überfordert ist und keine Lösung findet. Helfen Sie dem Hund, versuchen Sie ihn zu beruhigen und verlassen Sie die Situation oder den Ort, der zu diesem Verhalten geführt hat.
Fazit: Lernen Sie die Hundesprache. Es ist wie bei einem Menschen aus einem anderen Land, der plötzlich bei Ihnen wohnt. Wenn Sie die Sprache des anderen nicht verstehen, ist die Kommunikation schwierig. Sobald Sie die Sprache lernen, geht es gut und macht auch gleich viel mehr Spaß.
Ihre RINTI-Redaktion