Schlittenhunde im Rennfieber
Musher Tino Lesser erzählt im Experteninterview aus seinem Leben, vom Training und von den Rennen mit Huskys
Der Streckenchef der Baltic Lights, Tino Lesser, ist Musher (Hundeschlittenlenker) mit Leib und Seele. 1994 fuhr er sein erstes Rennen. Seitdem geht er aktiv dem Schlittenhundesport nach. Mit seiner Partnerin lebt er in Thüringen – und in Schweden, wo er im Winter seine Basis hat. Seit 2009 engagiert sich Tino Lesser mit vollem Einsatz für den perfekten Ablauf der Rennen. Denn er weiß, was Musher vor Ort brauchen. In diesem Interview verrät er uns, welche Anforderungen der Schlittenhundesport an Hunde sowie Musher stellt – und wie er selbst zu seinem ersten Husky kam.
Mehr zu Tino Lesser findet ihr hier:
https://www.instagram.com/tinolesser.a.u.m/
https://www.adventure-and-more.de/
Braucht es zum Schlittenhunderennen nicht eigentlich Schnee?
Ursprünglich kommt das Schlittenhunderennen aus Alaska und anderen schneereichen Gegenden. Heute fahren wir aber auch Gespanne mit Wagen auf dem sogenannten Dryland – also ohne Schnee.
Wo trainierst du mit deinen Huskys und wie läuft das Training ab?
Ich trainiere mit meinen Hunden sowohl bei unserer Base in Schweden als auch in Thüringen. Das Training ist abhängig von der Disziplin: Sprint, Mittel- oder Langstrecke. Bei Schlittenhunderennen liegen
- die Sprintdistanzen zwischen 4 und 25 Kilometern,
- die Mitteldistanzen zwischen 30 und 60 Kilometern
- und die großen Distanz-Rennen wie das Yukon Quest bei mehr als 1.000 Kilometern. Distanz-Rennen laufen die Hunde natürlich nicht an einem Tag – aber in sieben, acht Tagen ist das zu schaffen.
Wann beginnt das Training?
Um es ganz grob einzugrenzen: Im Herbst beginnt das Training für die neue Saison. Nach der Rennsaison im Frühjahr werden die Hunde dann abtrainiert. Im Sommer haben sie frei und können sich erholen. Sport ist dann wegen der Temperaturen für sie nicht drin.
Fürs Training mit Huskys gibt es Vorgaben bei der Temperatur
Es gilt aus Tierschutzgründen fürs Training eine Grenze von 15 ℃. Da müssen wir aufhören zu trainieren, liegt die Temperatur darunter, können wir im Herbst wieder beginnen. Das ist sehr sinnvoll. Ich beende das Training meistens schon bei 10 ℃, weil ich es zusätzlich von der Luftfeuchtigkeit abhängig mache. Wer selber joggt, der weiß: Bei hoher Luftfeuchtigkeit fällt es schwerer, die Strecke zu laufen. Eine klare, kalte und trockene Luft wirkt hingegen ganz anders. Für Hunde ist dies ganz genauso. Hinzu kommt: Hunde schwitzen nicht wie wir Menschen. Sie haben keine Schweißdrüsen und deswegen nicht denselben Hitzeschutz. Sie würden beim Training bei hohen Temperaturen überhitzen, wie ein Motor, der zu heiß läuft. Das führt dann bei Hunden schlimmstenfalls zum Herzinfarkt. Um dies zu vermeiden, gibt es diese durchaus sinnvollen Vorschriften, an die sich Schlittenhundesportler auch wirklich peinlich genau halten.
Was braucht man außer Hunden noch für den Schlittenhundesport?
Für den Schlittenhundesport braucht man sehr viel Equipment. Neben dem Gespann aus mehreren Hunden und ihren Transportern sind das vor allem
- Motorschlitten
- Wagen
- Schlitten
- Skier
Aber auch Kleinigkeiten wie das Wachs sind wichtig – ähnlich wie beim Skifahren müssen die Kufen des Schlittens eventuell alle 10 bis 20 Kilometer neu gewachst werden.
Das ist auch wichtig für die Hunde, denn es wirkt sich auf ihr Rennverhalten und die Art ihrer Bewegung aus. Der Musher hat deswegen die Schneetemperatur sowie die Luftfeuchtigkeit ständig im Blick.
Die Hunde brauchen auch ihre Ausrüstung, dazu gehören vor allem passende Geschirre, damit der Zug optimal auf das gesamte Körpergewicht verteilt werden kann. Aber auch Kleinigkeiten wie Schuhe sind wichtig. Ein Paar Hunde-Booties reicht bei der extremen Belastung von Training und Rennen nur ein paar Stunden, dann sind sie durchgelaufen und müssen ersetzt werden. Doch für den Schutz und die Pflege der Pfoten sind sie unerlässlich, gerade wenn der Schnee vereist ist.
Welche Eigenschaften müssen gute Schlittenhunde mitbringen?
Ein Leithund muss „kopfstabil“ sein, das bedeutet, er darf sich während des Rennens nicht ablenken lassen. Der Schlittenhundelenker muss sich ganz auf ihn verlassen können.
Ich achte bei meinen Hunden auf folgende Eigenschaften:
- Intelligenz
- soziale Kompetenz
- eine gute Anatomie
- Gesundheit
Dabei ist eine gute Ernährung natürlich eine Grundlage für Leistung und Erfolg.
Wie alt sind die Hunde bei Trainingsbeginn und wann dürfen sie erste Rennen laufen?
Ich mache den Trainingsbeginn ein bisschen abhängig vom individuellen Wachstum der Hunde. Mittrainieren und kurze Strecken mitlaufen können sie ungefähr ab einem Jahr.
Zum Rennen sind sie laut Reglement ab 18 Monaten zugelassen.
Sind Huskys leicht für den Rennsport zu erziehen?
Huskys sind von Natur aus sehr gute Schlittenhunde, denn dafür wurde die Rasse gezüchtet. Aber manche Musher haben festgestellt, dass es sinnvoll sein kann, ins Training auch mal einen Australian Shepherd oder Border Collies zu holen. Diese Hunde sind extrem schlau und setzen Kommandos sehr direkt um. Daher trainieren sie die Huskys in manchen Teams mit. Die Huskys lernen so an der Seite der extrem schnell lernenden Hütehunde.
Was ist beim Lenken eines Hundeschlittens zu beachten?
Es braucht schon ein bisschen Übung. Vorausschauendes Fahren ist ganz besonders wichtig. Aber mit ein bisschen Übung lässt sich das erlernen.
Das Gespann ist kein Gelenkbus, man muss die Spur ausfahren und kann nicht scharf abknicken. Deshalb kann man nicht sagen „Je größer das Team, desto schneller“. Denn große Teams verlieren oft viel Zeit in Kurven und an Kreuzungen – während man dort mit einem kleineren Team einfach durchfahren kann.
Bei den Wettkämpfen wird die Strecke markiert durch Schilder, und Teilnehmer wissen, was die Schilder bedeuten. Sie haben unterschiedliche Farben sowie unterschiedliche Formen. Sogar wenn ein Schild völlig verschneit ist, ist es an seiner Form zu erkennen und gibt Orientierung im Gelände.
Wie wichtig ist der einzelne Husky für den Erfolg?
Schlittenhundesport ist Teamsport! Ganz wichtig ist das Zusammenspiel zwischen dem Musher und den Hunden, besonders den Leithunden. Es kommt darauf an, das Rudel den Fähigkeiten entsprechend zusammenstellen. Jeder Hund ist dort am besten aufgehoben, wo die eigenen Fähigkeiten besonders zur Geltung kommen. Es gibt die Leithunde, die sogenannten Swing Dogs, dann folgen die Teams 1, 2, 3 usw. und zuletzt die Wheel Dogs direkt vor dem Wagen. Je nachdem, welche Aufgaben und welche Position ein Hund im Rennteam hat, entscheidet der Musher, welchen Hund er einsetzt.
Zurück zum Anfang … Huskys verbindet man vor allem mit eisigen Polarregionen. Wie bist du als Thüringer zum Schlittenhundesport gekommen?
Als Kind durfte ich keinen Hund haben. Ich beschloss: Wenn ich 18 bin, kaufe ich mir einen Hund – egal, was die Eltern sagen. Im Urlaub in Ungarn habe ich mir dann auch tatsächlich den ersten Husky gekauft. Es war wie bei vielen Menschen: Den ersten Hund habe ich vor allem nach der Optik ausgesucht. Zum Glück hatte ich trotzdem auch darauf geachtet, dass er Papiere und einen Stammbaum hatte und aus einer guten Zucht kam ... So fing meine Leidenschaft für Huskys an und nach kurzer Zeit kam schon der nächste Hund dazu.
Ich hatte schon mein Leben lang Leistungssport gemacht. Mit den Huskys passte plötzlich alles zusammen und ich fing mit Schlittenhundesport an.
Mein erstes Rennen bin ich 1994 gefahren. Dort nahm ich mit drei Hunden in der Kategorie 3 (bis 400 kg) teil. Aber drei ist für ein Gespann eine ungerade Zahl. Da kauft man natürlich einen vierten Hund … Seither habe ich einfach immer Huskys gehabt und kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen.