Silvester mit ängstlichem Hund – das sagen die Profis!
Beruhigungsmittel, Desensibilisierung oder die Angst ignorieren: Was ist richtig, was ist falsch?
Ein entspanntes „Prost Neujahr!” all denen, die einen angstfreien Hund haben. Wie anders das Silvesterfest ablaufen kann, wenn ein Hund Angst und Paniksymptome zeigt, wissen laut Schätzungen rund 45 Prozent aller Hundebesitzer. In unzähligen Ratgeber-Foren und Social-Media-Plattformen werden Tipps gegeben, wie das Silvesterfest mit Hund entspannt ablaufen kann. Dabei gibt es kontroverse Diskussionen – wir verschaffen Ihnen einen Überblick. Zum Beispiel zum Thema Eierlikör für den Hund und den gängigsten Methoden zur Angstbewältigung. Dazu haben wir natürlich auch eine Haltung!
Die Welttierschutzgesellschaft e. V. befragte in einer Studie 600 Tierhalter, ob und wie sich Silvesterlärm auf ihre Tiere auswirkt. Dabei gaben 87,6 Prozent der Umfrageteilnehmer an, Verhaltensänderungen ihrer Tiere festzustellen. Angst, Hyperaktivität und Appetitlosigkeit waren dabei die meistgenannten Reaktionen.
Maßnahmen und Produkte gegen Angst beim Hund, die landläufig genannt werden – und von denen wir nur manche befürworten:
- Den Hund nicht alleine lassen
- Am Silvestermorgen eine große Gassirunde in abgelegenen Gegenden drehen und den Hund noch mal richtig auspowern
- Fenster, Außenjalousien oder Vorhänge geschlossen halten, um Böllergeräusche und Lichtblitze der Raketen abzuwehren
- Eine Geräusch-CD abspielen
- Desensibilisierung mit einem Hundetrainer
- Dem Hund einen Esslöffel Eierlikör verabreichen
- Spezielle Beruhigungsshirts (Thundershirt)
- Einen verängstigten Hund niemals streicheln, weil sein Verhalten sonst belohnt würde
- Eine spezielle Hunde-Box, die eine Noise-Cancelling-Technologie einsetzt
- Tellington-Touch
- Pflanzliche Beruhigungsmittel wie Bach-Blüten, Rescue-Tropfen oder Baldrian
- Tiefenentspannung durch hochfrequente Töne, klassische Musik oder Hörbücher
- Dem Hund räumliche Sicherheit in Form einer Transportbox bieten
- Eine tierärztliche Sedierung
Sie sehen, die angebotenen Möglichkeiten, einen Hund zu beruhigen, sind vielfältig. Und jede einzelne davon wird heiß diskutiert. Wissenschaftliche Belege gibt es kaum. Jedoch hat die HundeUni Bern eine Umfrage zur Effektivität verschiedener Maßnahmen gemacht und 1225 Antworten von Hundebesitzern ausgewertet. Die Top 3 der effektivsten Anti-Silvester-Angst-Maßnahmen sind
- Gegenkonditionierung
- Entspannungstraining und
- verschreibungspflichtige Medikamente
Den vollständigen Artikel zur Umfrage finden Sie hier.
Individuelle Gegenkonditionierung (gewünschtes Verhalten loben) und Entspannungstraining bewerten wir als sehr sinnvoll. Zum Ergebnis der verschreibungspflichtigen Medikamente möchten wir uns allerdings explizit äußern:
Verschreibungspflichtige Medikamente wirken auf Hunde mit Feuerwerksangst rein körperlich. Das heißt, Ihr Hund wird physisch ausgeknockt und lethargisch. Seine Angst aber bleibt. Nur kann er diese jetzt körperlich nicht mehr zeigen.
Eierlikör für den ängstlichen Hund?
Vielleicht haben Sie schon davon gehört, dass einige Hundebesitzer darauf schwören, ihrem Hund an Silvester einen Esslöffel Eierlikör zu geben. Auch diese Maßnahme wird kontrovers unter Hundebesitzern, Tierschutzorganisationen und Tierärzten diskutiert. Der Tierarzt Ralph Rückert hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit diesem süffigen Thema auseinandergesetzt. In einem Blog-Artikel auf seiner Website führt er an, dass er als Pragmatiker bei seinem Hund gute Erfahrungen mit Eierlikör gemacht hat. Das löste nach eigenen Angaben sehr hitzige Diskussionen aus – wie hier nachzulesen ist.
Alkohol ist ein Betäubungsmittel und wirkt auf das zentrale und vegetative Nervensystem. Daher sind wir der Meinung, dass diese Maßnahme nicht hundegerecht ist.
Diese Maßnahmen befürworten wir, um Ihrem Hund das Silvesterfest so entspannt wie möglich zu gestalten:
Jeder Hund ist anders. Einige fürchten sich vor dem Knall eines Böllers, anderen jagt das Aufblitzen der Raketen die nackte Angst in den Körper. Es gibt Ängste, die relativ leicht abzubauen sind und sich später sogar in Neugierde umwandeln lassen. Traumatisierte und panische Hunde haben es schwerer. Daher gibt es nicht das eine probate Mittel gegen die Feuerwerksangst Ihres Hundes. Allerdings gibt es Methoden und Herangehensweisen, die wir im Sinne Ihres Hundes befürworten.
Systematische Reizkonfrontation: Der Weg geht durch die Angst
Geräusche-CDs: Hier wird immer wieder das Gegenargument eingebracht, dass sich Hunde an die immer wiederkehrenden Töne der CD gewöhnen. Dennoch hat diese Methode schon bei einigen ängstlichen Hunden geholfen. Vermeiden sollten Sie eigeninitiierte „Boot Camps“, in denen Sie Luftballons knallen lassen oder gar selbst die Böller anzünden. Sie sind die Person, bei der sich Ihr Hund in Sicherheit fühlt. Das wäre mit derartigen Aktionen zunichte gemacht.
Vertrauen und Selbstbewusstsein aufbauen
Das ist einfacher gesagt als getan, aber es lohnt sich. Nicht nur für Feuerwerkstage. Kurz vor Silvester richten Sie allerdings also nicht mehr viel aus. Es ist ein Langzeitprojekt. Für Sie und für Ihren Hund. Suchen Sie dafür am besten einen professionellen Hundetrainer, der Sie coacht und von außen auf Ihre Mensch-Hund-Beziehung blickt. Als liebende Hundebesitzer haben wir oft blinde Flecke und betrachten unser Verhalten manchmal durch eine subjektive Brille.
Früh übt sich! Starten Sie mit den vertrauensbildenden Maßnahmen am besten im Welpenalter und bringen Sie Ihrem Hund spielend die Welt näher.
Liebe und Sicherheit schenken
Es weitverbreitetes Gerücht lautet, es könnte helfen, Ihren Hund bei Angst zu ignorieren oder besser gesagt das unerwünschte Verhalten nicht auch noch mit Streicheleinheiten zu bestätigen. Das sehen wir anders. Geben Sie Ihrem Hund Sicherheit und seien Sie der Fels in der Brandung für Ihren Hund. Diese Haltung bestätigt Hundetrainer Thomas Fichte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
„Wenn der Hund zittert und zu einem kommt, dann soll man ihm auch Nähe geben. Streicheln beruhigt Mensch und Hund, und diese Nähe gibt Vertrauen und stärkt die Bindung zu Ihrem Hund. Dabei wird Oxytocin ausgeschüttet, das Hormon mildert Stress. Was man aber nicht haben darf, ist Mitleid. Ein schmaler Grat, gerade beim Menschen, denn die trösten gerne. Und das ist das große Problem. Die meisten Hundebesitzer stehen da und sagen: “Ui, Silvester, mein armer Hund. Dieser Gedanke muss erst mal aus dem Kopf, denn nur dann kann ich ruhig reagieren.“
Ich hatte unsere Hündin auch „beruhigt“ und hatte Mitleid mit ihr. Mein Mann war darüber erstaunt und hat sich gewundert. Seine „wo ist das Problem?“-Haltung hat sich erkennbar auf auf unsere Hündin übertragen, so dass sie bei ihm deutlich entspannter war als bei mir.
Miriam, IT, mit Schäferhündin Amelie, 7 Jahre
Spezielle Beruhigungsshirts (Thundershirt)
Gute Erfahrungen haben wir mit Thundershirts oder Stresswesten gemacht. Der eng anliegende Stoff rahmt Ihren Hund ein und gibt ihm dadurch Sicherheit.
Bei akutem Stress den Kiefer lösen
Kauen auf Kausnacks und Schlecken beruhigen, denn dadurch wird der Kiefer gelöst. Macht sich Ihr Hund im Kiefer fest, sind Schweineohren oder Kausticks eine gute Möglichkeit, Bewegung und Lockerung in Ihren Hund zu bekommen. Ein Kong mit Leberwurst eignet sich auch gut.
Pflanzliche Mittel
Baldrian oder Bach-Blüten müssen mehrere Wochen im Vorfeld verfüttert werden, damit sie ihre volle Wirkung entfalten. Besprechen Sie die Dosierung am besten mit Ihrem Tierarzt oder einem Tierheilpraktiker.
Probieren Sie aus und kombinieren Sie verschiedenen Maßnahmen. Bei panischen Hunden hilft es manchmal nur noch wegzufahren. So könnten Sie Silvester mit einem Kurzurlaub verbinden. An vielen Orten, wie zum Beispiel in Celle, Lüneburg, Goslar und auf Sylt, sind Feuerwerke und Böller aus Brandschutzgründen verboten. Wir wünschen Ihnen einen freudigen Jahreswechsel und Ihrem Hund ein entspanntes Silvester!