Was ist eigentlich das Cushing-Syndrom bei Hunden?
Cushing-Syndrom bei Hunden frühzeitig erkennen und behandeln – ein Experten-Interview mit Tierarzt Dr. Andreas Seide
Wenn es um das Cushing-Syndrom geht, können Hundehalter zwischen den vielen Fachbegriffen schnell mal den Überblick verlieren. Viele haben von dem Syndrom gehört – richtig benennen können es aber nur die wenigsten. Tierarzt Dr. Seide erklärt im Interview, was es mit dem Cushing-Syndrom auf sich hat und wie Sie seine Symptome richtig zuordnen können.
Unser Interviewpartner
Tierarzt Dr. Andreas Seide arbeitet seit 1998 in Bremen mit seinem Team für das Wohl seiner Patienten.
Herr Dr. Seide, was ist überhaupt das Cushing-Syndrom?
Das Cushing-Syndrom ist eine relativ häufige hormonelle Erkrankung. Dabei kommt es zu einem erhöhten Spiegel des Stresshormons Cortisol im Körper des Hundes. Dies kann drei Ursachen haben:
- Die Hirnanhangdrüse schüttet Steuerungshormone aus, die die Nebennierenrinden zur Cortisolausschüttung aktivieren. Das sogenannte hypophysäre Cushing-Syndrom betrifft circa 80–90 % der Fälle.
- Ein gut- oder bösartiger Tumor in den Nebennieren, der die Cortisolproduktion anregt und sowohl ein- als auch beidseitig auftreten kann. Diese Ursache macht etwa 5–20 % der Fälle von Cushing-Syndrom aus.
- Eine erhöhte Zufuhr von Cortisol durch eine dauerhafte Cortisontherapie, zum Beispiel bei Autoimmunerkrankungen oder Allergien.
Das Cushing-Syndrom betrifft vor allem Hunde im mittleren und hohen Alter. Häufig leiden kleine Rassen unter dem von der Hirnanhangdrüse ausgelösten Cushing-Syndrom. Große Rassen sind hingegen häufiger von einem Tumor der Nebennieren betroffen.
Was sind die Symptome für das Cushing-Syndrom beim Hund?
Häufige Symptome und Verhaltensweisen für das Cushing-Syndrom sind:
- vermehrtes Trinken,
- häufiges Wasserlassen,
- verstärktes Hungergefühl,
- starkes Hecheln,
- Hängebauch durch sogenannte Stammfettsucht,
- hormonbedingte Haarlosigkeit,
- eine Vergrößerung der Leber sowie
- Muskelschwäche.
Zu den weniger häufigen bis seltenen Symptomen gehören:
- Verfärbungen der Haut,
- dünne Haut,
- Harninkontinenz,
- Insulinresistenz bzw. Diabetes,
- Kalkeinlagerungen in der Haut,
- unregelmäßige Läufigkeitszyklen von Hündinnen sowie
- verkleinerte Hoden bei Rüden.
Sollte Ihr Hund eines oder mehrere der Symptome aufweisen, suchen Sie am besten einen Tierarzt auf. Er kann die Erkrankung richtig diagnostizieren und andere Krankheiten ausschließen.
Wie verläuft die Behandlung des Cushing-Syndroms von Hunden beim Tierarzt?
Zunächst testet der Tierarzt, ob es sich tatsächlich um das Cushing-Syndrom handelt. Es gibt verschiedene Verfahren und Tests, um es bei Hunden zu diagnostizieren. Zu den wesentlichen Methoden gehören:
- Der Low-Dose Dexamethason Suppression Test: Mit diesem Verfahren kann der Tierarzt feststellen, ob übermäßig viel Cortisol produziert wird.
- Der ACTH-Stimulationstest: Blutproben geben Aufschluss über ein mögliches Cushing-Syndrom.
- Der Cortisol-Kreatinin-Quotient: Das Verhältnis zwischen Cortisol und Kreatinin kann einen Hinweis auf das Cushing-Syndrom geben.
- Der Ultraschall: Vergrößerte Nebennieren geben ebenfalls einen wichtigen Hinweis auf das Cushing-Syndrom.
Die Behandlung des Cushing-Syndroms hängt stark von seiner Ursache ab. Einen Tumor kann der Tierarzt zum Beispiel operativ entfernen oder durch Bestrahlung behandeln. Eine Cortisontherapie sollten Halter ausschleichend absetzen und nach Möglichkeit durch ein alternatives Arzneimittel ersetzen.
Medikamente sind die häufigste Behandlungsmethode. In der Regel sind das kleine Kapseln, die über das Futter verabreicht werden. Je nach Hund, Körpergewicht und Ausmaß des Cushing-Syndroms variiert die Dosierung.
Welche Lebenserwartung haben Hunde mit Cushing-Syndrom?
Grundsätzlich gilt: Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser ist sie behandelbar. Die Heilungschancen hängen aber auch stark von der Ursache des Cushing-Syndroms ab. Die operative Entfernung eines gutartigen einseitigen Tumors kann zum Beispiel eine vollständige Heilung ermöglichen. Eine Behandlung durch Medikamente kann hingegen bis zum Ende des Hundelebens andauern. Die Medikamente lindern die Symptome und sorgen für eine höhere Lebensqualität. Geduld zahlt sich aus, denn:
- Nach circa 10 Tagen legen sich übermäßiger Durst, Appetit und das Hecheln des Hundes.
- Nach 12 Wochen nimmt der Bauchumfang ab, die Muskeln stärken sich und das Haarwachstum nimmt wieder zu.
- Nach 9 Monaten sollten die meisten Symptome deutlich gelindert oder sogar vollständig behandelt sein. Das hängt jedoch ebenfalls mit dem Fortschritt der Krankheit zusammen.
Unbehandelt greift ein erhöhter Cortisolspiegel andere Organe wie die Leber oder die Schilddrüse an – und führt letztendlich zum Tod des Hundes.
Welche Ernährungsweise eignet sich für Hunde mit Cushing-Syndrom?
Eine gute Ernährungsweise kann den Hund während der Behandlung unterstützen. Erhöhte Leberwerte lassen sich beispielsweise durch Leberdiätfutter verbessern. Förderlich ist zudem gesunde, leicht verdauliche Kost. Besonders im hohen Alter eignet sich spezielles Futter für Hundesenioren.
Wie kann man dem Cushing-Syndrom beim Hund vorbeugen?
Leider gibt es nur wenige wirksame Vorbeugemaßnahmen. Bei der Behandlung von Allergien oder anderen Krankheiten sollten Hundehalter so weit wie möglich auf eine langfristige Cortisontherapie verzichten. Stattdessen ist es ratsam, ein anderes Heilungsmittel zu wählen, um dem Cushing-Syndrom vorzubeugen. Mit den obigen Tipps erkennen Sie einen erhöhten Cortisolspiegel aber in jedem Fall rechtzeitig.