Warum Hunde manchmal unruhig sind
Wie wenig Einfluss das Alter tatsächlich hat und warum Auslastung nicht alles ist
Wenn Hunde unruhig sind, vermuten viele Halter, dass ihr Tier nicht ausreichend ausgelastet ist. In manchen Fällen stimmt das auch. Doch bei Überforderung zeigen Hunde oft dasselbe Verhalten. Der Hundetrainer Bernd Baron erklärt im Interview, was Hunde unruhig machen kann – und wie Sie Ihren Hund beruhigen und ihm helfen können.
Ein Interview mit Bernd Baron – ein Hundetrainer, der für faires Hundetraining wirbt
Bernd Baron ist zertifizierter Hundetrainer, der seit über 15 Jahren Hunde trainiert und sich gewaltfreie Trainingsmethoden auf die Fahne geschrieben hat. Trainieren statt dominieren – diesem Leitsatz haben sich Bernd Baron und weitere Hundetrainer verpflichtet. Bernd Baron versteht sich in seinen Trainings auch als „Anwalt des Hundes“ und versucht Haltern die Perspektive des Hundes näherzubringen. Durch seinen eigenen Hund hat sich die Leidenschaft zum Hundetrainer entwickelt. In über 430 Schulklassen konnte er mit seinem Rüden Buddy den Kindern die „Angst vorm großen Hund“ nehmen. Als selbstständiger Trainer hilft er Hundehaltern außerdem in Einzeltrainings.
Herr Baron, woran liegt es, dass Hunde manchmal unruhig und aufgedreht sind?
Manche Hunde haben einfach mehr Energie als andere und sind dementsprechend auch sportlicher. Wenn ein Hund plötzlich aufgedreht wirkt, deutet das entweder auf eine fehlende Auslastung oder auf fehlende Ruhe hin.
Die meisten Menschen vermuten als Erstes, dass sie ihren Hund nicht richtig auslasten und er deswegen hyperaktiv und unruhig ist. Dass sie ihren Hund überlasten, daran denken sie oft nicht. Wenn Hunde nicht die Ruhe finden, die sie täglich brauchen, leiden sie unter Stress und werden aufgedreht.
Wie viel Ruhe braucht ein Hund?
Welpen benötigen im Schnitt 18 bis 22 Stunden Ruhe. Damit ist kein durchgängiger Schlaf gemeint, sondern die Möglichkeit, sich zu entspannen.
Erwachsene Hunde brauchen etwas weniger Ruhe: Im Schnitt sind es 18 bis 20 Stunden. Wie viel Ruhe ein Hund letztendlich wirklich braucht, ist sehr individuell und von der Tagesform abhängig. Je nach Auslastung, Alter und Gesundheitszustand kann die Anzahl der Ruhestunden abweichen.
Wie wirkt sich ein Mangel an Ruhe auf einen Hund aus?
Viele Hundebesitzer unterschätzen, wie wichtig Ruhe für Hunde ist. Auslastung muss immer im richtigen Maß stattfinden. Wenn Hunde ständig überfordert werden, können sie unruhig werden und sich auffällig verhalten.
Hunde brauchen im Gegensatz zum Menschen viel mehr Ruhe. Viele Menschen kommen schon mit 6 bis 8 Stunden Schlaf aus – und ruhen tagsüber fast gar nicht. Wenn sich diese Menschen dann einen Hund zulegen – damit sie einen Ausgleich vom stressigen Tag haben – geht das schnell in die falsche Richtung. Sie wollen dann spazieren gehen oder anderweitig draußen aktiv sein. Hunde sind mit so langen Tagen und ständiger Aktivität dann schnell überfordert. Besonders Welpen sind davon betroffen.
Wenn Menschen ihr Ruhebedürfnis nicht erfüllen können, werden sie entweder depressiv oder aggressiv. Bei Hunden verhält es sich ganz ähnlich.
Eine zu hohe Auslastung meint nicht zwingend eine physische, sondern bezieht sich auch auf eine psychische Auslastung. Reizüberflutungen sind sehr anstrengend – besonders Welpen sind davon betroffen.
Stellen Sie sich vor: Sie fahren mit dem Auto von Bremen nach München. Sie fahren in Bremen um 18:00 Uhr los und kommen in München um 02.00 Uhr an. Wenn Sie danach im Bett liegen, ist es schwierig, direkt einzuschlafen. Obwohl die Autofahrt physisch anstrengend war und Sie müde sind. Die Reize auf der Autobahn – die Lichter, die Dunkelheit, die neue Umgebung – all das muss Ihr Gehirn verarbeiten und hindert Sie daran, zur Ruhe zu kommen.
Eine Familie mit kleinen Kindern und viel Besuch oder die Abwesenheit der Halter beispielsweise wirken sich stark auf das Empfinden und Verhalten von Hunden aus. Das zeigt sich dann in Unruhe und hibbeligem Verhalten.
Wie lässt sich ein Hund in stressigen Situationen beruhigen?
Versuchen Sie die Ursache zu erkennen. Liegt es an der Reizüberflutung durch einen Besuch oder daran, dass der Halter nicht zu Hause ist? Liegt es an kleinen Kindern, die am liebsten rund um die Uhr mit dem Hund spielen würden? Sobald die Ursache klar ist, können Sie gezielt helfen, mehr Ruhe in den Tag Ihres Hundes zu bringen. Generell helfen feste Zeiten und Orte, an denen der Hund ruhen kann.
Wenn Sie die Möglichkeit haben, können Sie Ihren Hund auch mit ins Büro nehmen. Hat er dort einen Platz, wo er entspannt in Ihrer Nähe liegen kann, ist das optimal. Haben Sie diese Möglichkeit nicht, trainieren Sie das Alleinebleiben mit Ihrem Hund.
Sie können auch verschiedene Leck- oder Kauspiele mit Ihrem Hund ausprobieren. Bestreichen Sie eine Leckmatte mit Leberwurst und geben Sie sie ihm, wenn er in seiner Ruhezone ist. So wird Ihr Hund vom Trubel abgelenkt und kann sich leichter beruhigen.
Wie lässt sich ein Hund beruhigen, wenn fehlende Ruhe nicht die Ursache ist?
Auch hier gilt: Suchen Sie nach der Ursache. Ist es fehlende Auslastung, eine Krankheit oder eine Verletzung? Wenn ein Hund nicht ausgelastet ist, reicht es oft schon, wenn Sie Futter-Suchspiele auf einem Spaziergang mit einbinden. Nasenarbeit ist für Hunde sehr anstrengend und fordernd – sowohl geistig als auch körperlich. Probieren Sie ansonsten Denkspiele. Halten Sie die tägliche Bewegung aber im Rahmen – überfordern Sie Ihren Hund nicht, sonst bewirken Sie das Gegenteil und Ihr Hund wird auch wieder unruhig.
Sollte eine Krankheit oder eine Verletzung der Auslöser für seine Unruhe sein, äußert sich das durch weitere Symptome wie Jaulen, einen eingezogenen Schwanz, Fieber, Erbrechen etc. Wenn er sich an der Pfote verletzt hat und hinkt, kann das ebenfalls Unruhe verursachen, da er nicht weiß, wie er auftreten oder entspannt liegen soll. Besuchen Sie einen Tierarzt, um auf der sicheren Seite zu sein und um Ihrem Hund bestmöglich zu helfen.