Welpenerziehung: wie sie gelingt und was wichtig ist
Wie wichtig ist es, trotz großer Hundeaugen konsequent bei der Welpenerziehung zu sein?
Der Welpe ist bei Ihnen eingezogen – schöne und aufregende Wochen stehen ins Haus. Spätestens dann kommt die Frage auf: Wann sollten Sie mit der Welpenerziehung beginnen? Und wie wichtig ist es, bei der Erziehung auch wirklich konsequent zu sein? Wir haben Hundetrainer Bernd Baron gefragt – und seine Antworten dürften so manche Leser überraschen. Lesen Sie im Interview, worauf es für ihn bei der Welpenerziehung ankommt.
Ein Interview mit Bernd Baron – ein Hundetrainer, der für faires Hundetraining wirbt
Bernd Baron ist zertifizierter Hundetrainer, der seit über 15 Jahren Hunde trainiert und sich gewaltfreie Trainingsmethoden auf die Fahne geschrieben hat. Trainieren statt dominieren – diesem Leitsatz haben sich Bernd Baron und weitere Hundetrainer verpflichtet. Bernd Baron versteht sich in seinen Trainings auch als „Anwalt des Hundes“ und versucht Haltern die Perspektive des Hundes näherzubringen. Durch seinen eigenen Hund hat sich die Leidenschaft zum Hundetrainer entwickelt. In über 430 Schulklassen konnte er mit seinem Rüden Buddy den Kindern die „Angst vorm großen Hund“ nehmen. Als selbstständiger Trainer hilft er Hundehaltern außerdem in Einzeltrainings.
Herr Baron, wie wichtig ist Konsequenz bei der Welpenerziehung?
Konsequenz gilt als besonders wichtig bei der Erziehung von Welpen. Viele Hundehalter denken, sie würden wesentlich mehr erreichen, wenn sie konsequenter wären. Für viele Menschen ist Konsequenz aber auch gleichbedeutend mit Strenge. Auf dieser Schiene fahre ich nicht mit. Gute Hundeerziehung hat für mich nichts mit Strenge zu tun. Ich meine:
Konsequenz ist sicherlich nicht das Allerwichtigste bei der Hundeerziehung.
Fehlende Konsequenz ist bei Weitem nicht der größte Fehler, den man bei der Welpenerziehung machen kann. Das führt in der Regel nicht zu problematischen Verhaltensweisen des Hundes.
Was ist wichtig bei der Welpenerziehung?
Viel wichtiger als Konsequenz bei einem bestimmten Kommando ist es, ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinem Hund aufzubauen und bei der Erziehung dranzubleiben – Kommandos können Hunde später immer nachlernen. Das oberste Ziel der Welpenerziehung ist ja, dass Hund und Mensch ein entspanntes Verhältnis haben und der Alltag gut klappt.
Empathische Menschen machen mit ihren Hunden meist vieles richtig, auch wenn fachliches Wissen fehlen sollte. Deshalb halte ich Empathie für grundlegend in der Welpenerziehung.
Empathie kommt vor Fachwissen und ist der beste Erziehungsratgeber.
Ich habe zum Beispiel schon viele ältere Damen kennengelernt, die einen kleinen Hund haben und sehr liebevoll mit ihm umgehen. Oft sind sie aber verunsichert, wenn andere Hundehalter sagen: „Sie müssen strenger sein. Der Hund braucht Grenzen und Regeln.“ Doch sie müssen sich bei der Erziehung nicht reinreden lassen. Mit Grenzen und Regeln ist nämlich meistens nur Strenge gemeint. Die Hundehalterin will aber so gar nicht mit ihrem Hund umgehen. Ich kann sie dann beruhigen: „Sie müssen Ihren Hund nicht anschreien.“ Man sieht ja, wie gut die Halterin mit dem kleinen Havaneser zurechtkommt. Was sollte mehr „Konsequenz“, wenn damit Strenge gemeint ist, da verbessern?
Wann sollte man mit der Welpenerziehung beginnen?
Die Erziehung beginnt schon am ersten Tag. Eine Frage, die sich zu Hause zum Beispiel sofort stellt: Wo schläft der Hund? Vielleicht versucht er am ersten Abend, sich in Ihr Bett zu legen? Dann hilft es meist nicht, ihn schimpfend aus dem Bett zu jagen. Ein anderes Vorgehen ist zielführender: Möchten Sie als Halter nicht, dass der Hund mit im Bett schläft, so sollten Sie ihm einen Platz einrichten, den er noch attraktiver findet und an den er sich gewöhnt.
Gestalten Sie das von Ihnen gewünschte Verhalten am besten interessant und angenehm für den Hund. Das ist wesentlich effektiver, als dem Hund etwas auszureden oder später wieder abzugewöhnen. Denn dies führt immer zu einer Konfrontation. Besser ist es, gar nicht erst eine Konfrontation aufzubauen.
Wie funktioniert das Ihrer Erfahrung nach am besten?
Es klappt mit attraktiven Alternativen, über die Sie sich im Vorfeld Gedanken gemacht haben: Sie können beispielsweise sein Körbchen am Anfang neben Ihr Bett stellen. So schläft der Welpe in der ersten Zeit in ihrer Nähe und gewöhnt sich gleichzeitig an seinen Schlafplatz. Später können sie das Körbchen an eine andere ruhige Stelle in der Wohnung stellen. Der Welpe verbindet das Körbchen dann bereits mit seinem Schlafplatz.
Eine andere Möglichkeit ist es, in den ersten Nächten neben seinem Körbchen auf dem Boden zu schlafen. Auch dann gewöhnt der Welpe sich schnell daran, dass er in seinem Körbchen schläft und fühlt sich trotzdem nicht allein und getrennt von Ihnen.
Manchmal tauchen bei der Welpenerziehung echte Probleme auf...
Ja, das kann vorkommen. Ich wurde einmal von einer Hundehalterin angerufen, die Probleme mit ihrem Welpen hatte. Der Hund biss sie mit seinen spitzen Zähnen immer wieder in den Arm und verletzte sie dabei. Und die Halterin fand keinen Weg, dem Welpen dieses Verhalten abzugewöhnen.
Der erste Trost für die Hundehalterin war dann direkt: Es ist eine normale Phase, dass ein Welpe beim Zahnwechsel verstärkt in Gegenstände beißt. Vielleicht hat der Welpe Zahnschmerzen. Die bleibenden Zähne sind nicht mehr so spitz und das Beißen hört meistens sofort auf. Trotzdem musste die Halterin natürlich ganz schnell etwas an der Situation ändern.
Wie können Halter vorgehen, wenn der Welpe etwas Unerwünschtes tut?
Ich rate Hundehaltern gelegentlich zur Vier-Stufen-Reaktion. Während jeder Stufe beobachten Sie, ob Ihr Welpe Ihre Antwort versteht oder ob Sie noch eine Stufe weiter gehen sollten. Am Beispiel des beißenden Welpen sieht das etwa so aus:
Die 4 Stufen der Reaktion in der Welpenerziehung
- Kurzes helles Aufschreien (Quieken), wenn der Welpe beißt. Der Welpe soll bemerken, dass Sie mit seiner Aktion nicht einverstanden sind. Sie ziehen gleichzeitig den Arm weg – ohne den Hund jedoch auszuschimpfen.
- Geben Sie dem Welpen die Möglichkeit, in etwas anderes zu beißen: ein kleines Tau (Zergel), ein Stofftier, eine Kauwurzel, ein Beißholz oder Ähnliches.
- Wenn kurzes, helles Aufschreien nicht wirkt und eine Alternative gerade nicht zur Hand liegt, verlassen Sie kurz den Raum, ohne etwas zu sagen. Schließen Sie die Tür und lassen Sie den Welpen für etwa 5 Sekunden alleine. Anschließend kommen Sie wieder in den Raum und setzen sich wieder hin.
- Wenn der Hund immer noch weitermacht, gehen Sie im Raum an einen Ort, der unerreichbar für den Hund ist. Beispielsweise stellen Sie sich auf einen (stabilen) Couchtisch oder auf eine Leiter. Eine Trittleiter im Wohnzimmer kann zur Welpenzeit ein wahrer Segen sein. Immer daran denken: Diese Phase vergeht von ganz alleine, seien Sie schlauer als Ihr Hund. Strafe und Strenge benötigen Sie dazu nicht.
In der Regel versteht der Hund nach kurzer Zeit, wann sein Verhalten dazu führt, dass der Mensch sich von ihm entfernt. Er wird dieses Verhalten dann nicht mehr zeigen. Der Welpe möchte ja eine gute Bindung zu seinen Menschen aufbauen.
Wenn der Welpe lernt, stubenrein zu werden – hilft da Konsequenz?
Strenge ist da nicht zielführend. Bestrafen Sie den Welpen auf keinen Fall für Dinge, die ganz einfach zu seiner Natur gehören. Das ist besonders wichtig, wenn er stubenrein werden soll. Wenn Sie den Welpen dafür bestrafen, dass er sein Geschäft in der Wohnung gemacht hat, verbindet der Hund das schnell ganz generell mit Strafe. Später kann er sich dann unter Umständen nur noch lösen, wenn der Halter nicht in der Nähe ist. Das ist beim Gassigehen an der Leine dann sehr umständlich.
Macht der Welpe sein Geschäft versehentlich in der Wohnung, wischen Sie den Boden einfach wieder sauber und schimpfen Sie nicht. Zielführend ist hier keine Strenge, sondern konsequent häufiges Gassigehen am Anfang. Dann wird der Welpe es von ganz alleine lernen.
Wie viel Erziehung verträgt ein Welpe am Anfang überhaupt?
Überfordern Sie Ihren Welpen auf keinen Fall! Manche Hundehalter erkennen nicht, dass ihr Hund erschöpft und müde ist und erst dadurch aufdreht. Machen Sie mit Ihrem Welpen zum Beispiel keine zu langen Spaziergänge. Ich höre manchmal Hundehalter sagen: „Nach einer Stunde war der Welpe immer noch nicht kaputt, er wurde nur immer wilder!“ Das ist dann eine völlige Fehleinschätzung.
Für Welpen ist die Gewöhnung an die Umwelt, seine neuen Menschen und auch seine körperliche Entwicklung eine große Herausforderung. Das braucht sehr viel Energie. Erwarten Sie nicht zu viel von dem kleinen Hund, er lernt es über die Zeit schon noch.
Man sollte einen Welpen in der ersten Zeit auf keinen Fall überfordern und nicht zu viel von ihm erwarten.
Der Hund bettelt am Tisch – wie komme ich da weiter?
Ich behaupte immer, dass es keine Familie gibt, bei der der Hund am Tisch konsequent nichts zu essen bekommt ... Wer es 15 Jahre durchhält und dem Hund nie etwas vom Tisch gibt, bei dem wird der Hund vielleicht am Ende gar nicht mehr zum Tisch kommen. Er hat gelernt, dass für ihn nichts abfällt – es ist nicht mehr attraktiv.
Wer möchte, dass der Hund nicht mehr am Tisch bettelt, sollte sich fragen: Wie störend ist das Betteln wirklich? Ein Hund, der einfach am Tisch sitzt und nicht weiter stört, kann in der Regel mit am Tisch bleiben. Oftmals hilft auch ein Trick:
Man kann dem Hund von Anfang an beibringen, dass er ein Leckerli bekommt, wenn alle Menschen mit dem Essen fertig sind.
Manches lässt sich bei Hunden auch mit Konsequenz nicht wegerziehen
Prüfen Sie vorher: Ist die Hunderasse für etwas bekannt, das Sie überhaupt nicht mögen? Es gibt beispielsweise Hunde, die von Natur aus sehr viel sabbern. Da sagt der eine oder andere sicherlich: „Das kann ich nicht aushalten.“ Aber manche Rassen haben einfach bestimmte Eigenarten. Wer da empfindlich ist, sollte also besser nach einer anderen Rasse suchen.
Probleme können auch entstehen, wenn Halter sich nicht klar genug darüber waren, ob der ausgewachsene Hund zu ihren eigenen Lebensumständen passt. Sie sollten deshalb vorher schon überlegen, ob Sie mit dem Hund dauerhaft klarkommen. Bedenken Sie dabei auch das eigene Alter und Ihre Kapazitäten.
Sollten alle in der Familie den Welpen mit erziehen – oder nur eine Person?
Ich denke nicht, dass es in einer Familie umsetzbar ist, dass nur bestimmte Personen den Welpen erziehen. Alle möchten – und sollen – ja mit dem Hund Kontakt haben. Da hilft es, ein paar Regeln aufzustellen. Geht es beispielsweise um den Rückruf, sollten sich alle auf ein Kommando einigen. Das macht es dem Hund einfacher. Es klappt natürlich nicht so gut, wenn die erste Person ruft: „Anton, hier!“, die nächste ruft „Anton, jetzt komm aber mal!“ Ein einheitliches Kommando macht es einfacher.
Können auch Kinder bei der Welpenerziehung helfen?
Bei Haushalten mit Kind und Hund muss man wirklich ein bisschen aufpassen. Wenn die Kinder noch klein sind, leidet oft der Hund. Kinder haben meist viel mehr Energie und Ausdauer und der Hund braucht sehr viel Ruhe. Ganz wichtig: Dies liegt alles in der Verantwortung der Eltern, kleine Kinder können das ja noch gar nicht wissen. Wenn man dem Hund und besonders dem Welpen nicht genügend Ruhe gewährt, wird es massive Probleme geben – bis hin zu Beißattacken.
Hunde brauchen viel Entspannung.
Am besten ist es deshalb, erst einen Hund anzuschaffen, wenn die Kinder älter sind. Oder einen großen Hund, den die Kinder nicht nach Belieben hochheben können. Ich rate auch immer zum Schlafplatz in einer Hundebox, wenn kleine Kinder im Haus sind. Dann sollte es die Ansage geben: Ist der Hund in der Box, wird er nicht gestört. Denn das ist seine Ruhezone.
Wie kann ich mit meinem Welpen den wichtigen Rückruf üben?
Ein Welpe kann noch nicht alle Kommandos befolgen. Er ist oft überfordert von all den Eindrücken draußen. Deshalb sollten Sie den Welpen zunächst an der langen Leine lassen. Sonst verbindet er Aktionen schnell mit dem Ziehen an der Leine und es schleichen sich ungewollte Verhaltensweisen ein. Bei Kommandos brauchen Halter dann Geduld. Da bedeutet Konsequenz eher, dass Halter dranbleiben und nicht denken, dass die Erziehung in den ersten paar Wochen abgeschlossen ist.