Die Hundenase – das unglaubliche Hochleistungsorgan
Wie Hunde mit ihrer Nase vermisste Personen, Geldkoffer oder Schmuggelware finden können
Hunde haben einen unglaublich guten Geruchssinn. Und ganz gleich ob Jagdhund, Lawinensuchhund, Drogenspürhund oder Ihr Familienhund – einige Dinge gelten für alle Hunde gleichermaßen. Im Interview erklärt Hundetrainer Bernd Baron, was die Hundenase auszeichnet und wie wir Menschen sie uns zunutze machen können.
Ein Interview mit Bernd Baron – ein Hundetrainer, der für faires Hundetraining wirbt
Bernd Baron ist zertifizierter Hundetrainer, der seit über 15 Jahren Hunde trainiert und sich gewaltfreie Trainingsmethoden auf die Fahne geschrieben hat. Trainieren statt dominieren – diesem Leitsatz haben sich Bernd Baron und weitere Hundetrainer verpflichtet. Bernd Baron versteht sich in seinen Trainings auch als „Anwalt des Hundes“ und versucht Haltern die Perspektive des Hundes näherzubringen. Durch seinen eigenen Hund hat sich die Leidenschaft zum Hundetrainer entwickelt. In über 430 Schulklassen konnte er mit seinem Rüden Buddy den Kindern die „Angst vorm großen Hund“ nehmen. Als selbstständiger Trainer hilft er Hundehaltern außerdem in Einzeltrainings.
Das erwartet Sie in diesem Rasseporträt:
- Was ist so besonders an der Hundenase?
- Warum haben Hunde so eine gute Nase – wo liegt der Ursprung?
- Was bedeutet die gute Hundenase für uns Menschen?
- Wie können wir Hunde mit ihrem guten Geruchssinn einsetzen?
- Manchmal hört man, dass Hunde auch bestimmte Krankheiten erkennen können – stimmt das?
- Riechen Hunde auch Angst?
- Kann man die Hundenase trainieren?
- Lässt die Fähigkeit der Hundenase im Alter nach?
Was ist so besonders an der Hundenase?
Ich bezeichne die Hundenase gerne als Hochleistungsorgan. Was sie kann, liegt außerhalb unserer menschlichen Vorstellungskraft.
Man liest zwar oft Zahlen: „Ein Hund hat 200 Millionen bis 300 Millionen Riechzellen, ein Mensch hat dagegen nur 10 Millionen.“ Folglich könnte man annehmen, dass Hunde 20- oder 30-mal so viel riechen können wie wir Menschen. Doch die Zahlen geben die Realität überhaupt nicht wieder. Hunde leben durch ihren ausgezeichneten Geruchssinn sozusagen in einer ganz anderen Dimension, in die wir uns auch gar nicht wirklich hineinversetzen können.
Menschen sollen etwa 10.000 Gerüche unterscheiden können. Bei Hunden sind es eine Million und mehr.
Menschen sind eher visuelle Lebewesen. Unsere Augen sind unser wichtigstes Sinnesorgan. Wir versuchen unsere Umwelt visuell aufzunehmen. Hunde setzen dagegen vor allem auf ihre Nase – auch wenn Augen und Ohren sie natürlich unterstützen. Es ist aber nicht die Nase allein. Zehn Prozent des Gehirns sind bei Hunden nur für die Verarbeitung von Geruchserfahrungen zuständig. Bei Menschen ist es nur etwa ein Prozent. Dies führt dazu, dass ein Hund mit Geruchsinformationen ganz anders umgehen kann als wir Menschen.
Außerdem riechen Hunde sozusagen in Stereo. Mit ihren beiden Nasenlöchern können sie tatsächlich links und rechts unterschiedliche Düfte aufnehmen und einordnen.
Das Jacobson-Organ lässt Hunde Gerüche schmecken
Hunde schmecken Geruchspartikel richtiggehend. Das erkennen Sie, wenn ein Rüde am Urin von einer läufigen Hündin schnuppert. Beim Riechen setzt er seine Zunge ein und „kaut“ den Geruch regelrecht. Der Grund dafür ist das sogenannte Jakobson-Organ (oder auch das „Jakobsonsche Organ“). Es sitzt im Gaumen am Übergang vom Rachen zur Nase und dient der Wahrnehmung von Pheromonen – Botenstoffen für die biochemische Kommunikation zwischen Lebewesen einer Spezies. Andere Lebewesen besitzen ebenfalls ein Jacobson-Organ.
Warum haben Hunde so eine gute Nase – wo liegt der Ursprung?
Die gute Nase haben Hunde von ihren Vorfahren geerbt, den Wölfen. In freier Wildbahn ist sie für die Jäger lebenswichtig. Durch ihren guten Geruchssinn wittern sie ihre Beute und auch ihre Feinde schon aus sehr großer Umgebung.
Wölfe sind in der Lage, Beutetiere bis zu zwei Kilometer weit mit ihrer Nase wahrzunehmen.
Wer sich draußen im Gelände einmal hinstellt und dann zwei Kilometer weit geht, merkt, wie lang diese Distanz in der Realität ist.
Die Größe macht’s – aber auch Hunde mit kurzen Nasen spielen in einer anderen Geruchsliga als Menschen
Man sieht es eigentlich schon, wenn man die lange Nase eines Wolfes betrachtet. Bei unseren Hunderassen gibt es heute natürlich große Unterschiede hinsichtlich der Nasenform: Hunde mit einer langen Nase oder Rassen wie Mops, Bulldogge und Co., die eine extrem kurze Nase haben. Hunde mit kurzen Nasen haben zwar nicht so viele Riechzellen wie beispielsweise ein Husky oder andere Hunderassen mit einem langen Fang. Aber: Ein Boxerhund mit einer platten Nase kann zwar nicht so gut riechen wie ein Husky, für uns Menschen ist es trotzdem nicht vorstellbar, was er alles wahrnimmt.
Was bedeutet die gute Hundenase für uns Menschen?
Menschen machen sich schon seit Jahrhunderten die gute Nase der Hunde zunutze. Das liegt vor allem daran, dass Hunde gut mit uns kooperieren. Denn es gibt zwar auch andere Tiere, wie etwa Grizzlys oder Eisbären, mit einem noch besseren Geruchssinn. Doch Bären kooperieren nicht mit uns. Ihre gute Nase nützt uns Menschen daher nicht. Bei Hunden konnten wir dagegen Jagdhunde, Spürhunde und Wachhunde für unsere Ansprüche züchten. Ihre guten Nasen helfen uns bei der Arbeit.
Kooperationsbereitschaft muss also immer gegeben sein, der Hund muss Menschen mögen und gerne mit ihnen arbeiten.
Wie können wir Hunde mit ihrem guten Geruchssinn einsetzen?
Wir machen uns den Geruchssinn von Hunden in vielen Bereichen zunutze. Arbeitshunde helfen uns mit ihrer guten Nase vor allem dabei, Dinge oder Menschen aufzuspüren. Die Polizei setzt Hunde etwa beim Aufspüren von Geldkoffern und Drogen ein. Viele Drogen haben einen starken Eigengeruch, der auch für uns Menschen wahrnehmbar ist. Hunde finden schon kleinste Mengen davon im Gepäck oder in der Kleidung von Menschen, genauso wie in Transportverpackungen. Bei Geld sieht es anders aus: Geld ist für uns Menschen relativ geruchlos. Für Hunde ist es das allerdings nicht. Spürhunde am Flughafen finden deshalb auch Geldscheine in Koffern am Flughafen mit einer Trefferquote von etwa 90 Prozent. Und auch kleinere Geldbündel im Gepäck erkennen sie an deren Geruch. Da Hunde stereo riechen können, erkennen sie auch das geschmuggelte Kokain in der Kaffeepackung. Der Kaffee übertönt den Kokaingeruch nicht, sie nehmen einfach beide Gerüche wahr.
Mantrailing und Fährtenarbeit
Auch bei der Suche nach Menschen leisten Hunde Erstaunliches. Bei der Flächensuche nach Menschen, etwa in der Folge von Erdbeben, finden sie unter Metern von Schutt und Erde noch Überlebende. Verschüttete können so gerettet werden. Auch bei der Fährtensuche, dem Mantrailing, bei dem der Hund eine ganz bestimmte Person finden soll, spüren sie Personen auf, die ohne ihre Hilfe unentdeckt bleiben würden.
Jäger nutzen den Geruchssinn ihrer Hunde
Der Geruchssinn hat eine große Rolle bei der Entwicklung unserer Hunderassen gespielt. Hunde sind ja auch als Helfer für die Jagd gezüchtet worden. Sie wittern, aus welcher Richtung das Wild kommt oder wo ein getroffenes Tier gefallen ist. So können sie es zum Beispiel dem Jäger apportieren.
Manchmal hört man, dass Hunde auch bestimmte Krankheiten erkennen können – stimmt das?
Ja, man kann Hunden sogar beibringen, Krankheiten zu erschnüffeln. Hunde riechen es oft sogar schon, bevor die Krankheit eintritt und Symptome zeigt. Sie können betroffene Tierhalter dann warnen – Diabetiker beispielsweise vor einer Unterzuckerung. Betroffene wissen dann vorher, wann sie ihre Medikamente nehmen sollten.
Es gibt auch trainierte Assistenzhunde. Die warnen Epileptiker etwa zwei bis fünf Minuten vor einem epileptischen Anfall. Offenbar sinken der Sauerstoffpartialdruck und die Sauerstoffsättigung bei diesen Patienten, was der Assistenzhund mit seiner feinen Nase wahrnimmt.
Manche Hunde erkennen Krebs oder andere Krankheiten mit ihrer Nase
Entsprechend trainierte Hunde können außerdem Krankheiten wie Krebs in einem Stadium erkennen, in denen unsere medizinischen Geräte wie MRTs dies noch gar nicht anzeigen. Wie sie dies merken, ist wissenschaftlich zwar noch nicht bis ins Detail geklärt. Vielleicht sind es Moleküle oder Unterschiede in der Körpertemperatur, die der Hund wahrnimmt. Manche Mediziner belächeln dies. Sie setzen auf ihre Geräte und können sich nicht vorstellen, dass andere Lebewesen mehr wahrnehmen als diese. Andere haben wiederum positive Erfahrungen gemacht und setzen Hunde vielfältig bei der Erkennung von Krankheiten ein.
Riechen Hunde auch Angst?
Diese Frage interessiert viele Menschen. Es wird dann immer vom sogenannten Angstschweiß gesprochen. Ja, viele Hunde merken es, wenn Menschen Angst haben. Woran sie dies erkennen, ist meiner Ansicht nach jedoch nicht ganz klar. Bei Angst entwickeln Menschen ja zunächst einen höheren Puls. Auch die Körpertemperatur steigt. Bis wir vor Angst schwitzen, vergeht dagegen eine Zeit. Wie auch immer – Hunde merken, wenn Personen in einer Menschengruppe Angst haben. Manche Hunde und ganz speziell Therapiehunde versuchen sich dann genau diesen Menschen zu nähern und sich dabei ruhig – und beruhigend zu verhalten.
Kann man die Hundenase trainieren?
Suchspiele machen den meisten Hunden großen Spaß. Man kann den Geruchssinn sehr gut mit Futtersuchspielen trainieren. Beim Spaziergang können Hunde Leckerlis suchen – und haben so gleich die Belohnung für ihren Einsatz. Sie erkennen so bestimmte Gerüche, die sie auffinden und verfolgen können.
Das sollten Sie beim Nasentraining beachten
Das Nasentraining kann sehr anstrengend sein. Spürhunde brauchen beispielsweise schon nach etwa zehn Minuten eine Pause. Sie sind erschöpft, müssen sich kurz erholen und trinken auch Wasser. Die Arbeit als Spürhund beansprucht den ganzen Hund. Wichtig ist außerdem, den Hund auch dann zu belohnen, wenn er noch nichts gefunden hat. So bleibt er beim Nasentraining motiviert.
Lässt die Fähigkeit der Hundenase im Alter nach?
Auch bei Hunden werden alle Sinne im Laufe des Lebens schwächer. Aber in meiner Erfahrung ist der Geruchssinn bei Hunden der Sinn, der am längsten intakt ist. Die Augen oder das Gehör lassen bei älteren Hunden eher nach. Vermutlich liegt es daran, dass der Geruchssinn für die Vorfahren unserer heutigen Haushunde besonders wichtig für das Überleben war.