Problemhund? Was hinter schwierigem Verhalten bei Hunden wirklich steckt
Lösungen für Problemhunde – ein Experten-Interview mit Hundetrainerin Sarah Fairway
Sarah Fairway arbeitet seit vielen Jahren als Hundetrainerin. Ihr Herz schlägt vor allem für Hunde, deren Verhalten zu Problemen im Miteinander von Hund und Mensch führt. In Einzeltrainings, Gruppentrainings und Social Walks / Sozialkontaktgruppen geht sie auf Hunde und ihre Halter ein und hilft ihnen, ihre Probleme zu lösen – für ein entspanntes Miteinander von Hund und Mensch.
Sie finden Sarah hier: https://www.sarahfairway.de/
oder hier instagram.com/sarahfairway_
Frau Fairway, was ist überhaupt ein Problemhund?
Ich unterscheide zwischen dem, was Menschen als „Problemhund“ bezeichnen und dem, was wirklich ein problematischer Hund ist. Ein Kernproblem ist nämlich, dass heutzutage bereits viele eigentlich typische Verhaltensweisen von Hunden von ihren Haltern als Problem empfunden werden. Viele Hunde, die sich problematisch verhalten, sind keine wirklichen Problemhunde.
Was stört Sie am Begriff Problemhund?
Mit dem Begriff „Problemhund“ tue ich mich ein bisschen schwer. Manche Hundehalter werden ihrem Hund grundsätzlich nicht gerecht – oder sie haben sich einen völlig falschen Hund ausgesucht. Mitunter wurden sie vielleicht auch einfach falsch beraten. Dann haben sie einen Hund, der nicht zu ihren Lebensumständen passt. Das führt dann durchaus mal zu Problemen. Auch wenn es natürlich echte Verhaltensstörungen bei Hunden gibt. Aber:
Richtig erzogen, artgerecht beschäftigt werden und in der für ihre Rasse passenden Umgebung zu Hause – so wären viele sogenannte Problemhunde vermutlich ganz umgänglich und unauffällig.
Haben Sie ein Beispiel?
Ich nehme mal einen Jagdhund als Beispiel: Den hat der Halter sich vielleicht aufgrund seines schönen Aussehens ausgesucht. Gerade für große Rassen sind aber artgerechte Auslastung, Bewegung, Fährtenarbeit oder ähnliches und auch Freilauf wichtig. Wenn man all das als Halter nicht bietet, hat der Hund ein verständliches Problem. Er wird nicht entsprechend seiner Genetik und Rasse gehalten. Das kann durchaus zu problematischen Verhaltensweisen führen. Im besten Fall macht er nur Dinge im Haushalt kaputt oder bellt ständig.
Einen Herdenschutzhund in einer kleinen Wohnung in der Stadt zu halten – das passt nicht für Hunde, die ihr Territorium stark verteidigen. Es führt fast immer zu Problemen wie Leinenpöbeleien. Spätestens, wenn der Hund anfängt, andere Passanten auf der Straße anzubellen, wird es schwierig.
Manche Menschen suchen sich ihre Hunde wirklich vor allem nach der Optik aus?
Das kommt schon vor. Viele Menschen lassen sich vorher aber wirklich ausführlich beraten. Ist es der erste Hund, so wissen Hundehalter mittlerweile, dass sie sich informieren sollten. Sie wollen sich keinen falschen Hund anschaffen, es soll alles passen. Doch manche Ansprechpartner wollen vor allem ihre eigenen Hunde vermitteln – etwa bei unseriösen Tierschutzorganisationen. Auch wenn sie diese vielleicht selbst gar nicht wirklich kennen.
Haben Sie eigene Erfahrungen damit?
Ich erlebe es nicht selten, dass Menschen zu mir sagen: „Ich habe dem Tierschutzverein gesagt, dass ich in der Stadt wohne. Ich habe auch gesagt, dass es mein erster Hund ist. Ich habe gesagt, dass ich in einer Dreizimmerwohnung wohne. Nach zwei Stunden Gespräch haben sie mir diesen Hund gegeben.“ Das ist dann manchmal ein großer Hund mit hohen Ansprüchen an Bewegung und Auslastung – und einem gewissen Bedürfnis nach Freiraum. Da können wir dann im Training versuchen die Kurve zu kriegen – aber es wird sicherlich mit viel Arbeit verbunden sein.
Was sind die Ursachen, die Hunde zu Problemhunden werden lassen?
Es gibt eine ganze Reihe von möglichen Ursachen für Probleme mit dem Hund:
- Ein Problem kann mangelnde oder falsche Erziehung sein. Viele Menschen möchten sich bei der Erziehung innerhalb ihrer eigenen Grenzen bewegen. Oft versuchen sie bei der Erziehung alles positiv, lieb und nett zu regeln. Doch das funktioniert nicht mit jedem Hund. Manche Hunde brauchen ein sehr konsequentes Verhalten und eine klare Ansage.
- Ein weiteres Problem sind unüberlegte Anschaffungen. Es gibt nach wie vor Menschen, die sich einfach mal durchs Internet klicken und einen Hund kaufen – und dann mal gucken, was passiert. Wenn es nicht passt, geben sie die Hunde eben wieder ab. So als wäre es eine Handtasche oder ein Auto.
Aus meiner Sicht sollte es keine Option sein, den Hund abzugeben – zumal dies aktuell nicht mehr so einfach möglich ist. Denn die Tierheime sind einfach voll. Das ist auch dem Hund gegenüber nicht fair.
- Viele Halter haben auch einfach eine falsche Vorstellung von dem, was der Hund braucht. Wenn im Rasseporträt steht, „braucht viel Auslauf“, dann meinen manche Menschen, dass dreimal eine halbe Stunde am Tag „viel Auslauf“ ist. Sie reden sich die Situation schön. Bis sie merken, dass der Hund sie überfordert.
- Daneben gibt es auch Hunde, die aus dem Auslandstierschutz bei uns in ein Leben gepresst werden, das sie einfach nicht mögen. Sie waren vorher vielleicht ein etwas freieres Leben gewohnt und müssen nun in einer kleinen Wohnung mit einer Familie zusammenleben und haben kaum noch Auslauf. Nicht falsch verstehen: Natürlich gibt es auch seriöse Vereine und den Hunden geht es nach der Vermittlung besser als im Herkunftsland. Es gibt viele Hunde, die hier gut klarkommen – aber die landen dann in der Regel nicht bei mir.
Kann es auch medizinische Gründe haben, wenn der Hund Probleme macht?
Ja, es kann auch medizinische Ursachen für schwieriges Verhalten geben. Beispielsweise sind Schmerzen manchmal der Grund dafür, dass ein Hund sich nicht streicheln oder bürsten lässt. Deshalb ist es immer eine gute Idee, auch den Tierarzt zu Rate zu ziehen. Er klärt ab, ob hinter dem Problem eine Krankheit steckt, und kann entsprechende Medikamente verschreiben.
Wie äußern sich Probleme beim Hund?
- Häufig ist der Hund aggressiv gegen Menschen und Artgenossen. Das reicht von Bellerei bis zu kompletter Unverträglichkeit mit anderen Hunden.
- Es kommt auch vor, dass Hunde zu Hause anfangen, ihre Halter infrage zu stellen. Das zeigt sich etwa durch Knurren, Bellen oder durch Beißen. Manche Hunde verhalten sich auch wütend gegenüber fremden Menschen und zeigen dies durch Knurren. Die Halter sind am Ende nicht mehr in der Lage, Besuch zu empfangen.
- Im Alltag gibt es auch, Hunde, die Fellpflege sowie Scheren und Trimmen und Pfotenpflege nicht mehr zulassen. Das ist gerade bei langhaarigen Hunden ein großes Problem.
- Manche Hunde haben so viel Angst, dass sie nicht spazieren gehen möchten. Die Halter kriegen sie dann kaum noch zum Gassigehen aus dem Haus.
- Oft sind Tierarztbesuche mit dem Hund nicht möglich.
Wenn der Welpe beißt oder aggressiv ist – schätzen Hundehalter die Probleme mit ihrem Hund richtig ein?
Oft erkennen Halter die Anzeichen zu spät. Ich hatte erst kürzlich einen Hund im Training, der schon im Alter von 12 Wochen angefangen hatte, öfter die Zähne zu fletschen oder zu knurren. Am Anfang fanden die Halter dies noch niedlich und nahmen es nicht weiter ernst. Sie nahmen an, es würde sich mit der Zeit geben, denn die Rasse an sich gilt als sehr verträglich. Aber es wurde stattdessen immer schlimmer. Mit einem knappen Jahr hatte der Hund bereits alle Familienmitglieder gebissen.
Das bedeutet, dass der Ernst der Lage oft nicht erkannt wird?
Vielfach über- oder unterschätzen Halter das Problem, das sie mit ihrem Hund haben. Aber sie sind natürlich auch emotional befangen – denn sie haben oft noch ihren süßen Welpen in Erinnerung. Viele Hundehalter sagen mir, sie seien „enttäuscht“ von ihrem Hund, wenn es dann später zu Problemen kommt.
Was ist die Lösung für Problemhunde – sollten Halter immer einen Hundetrainer zu Rate ziehen?
Ja, ich kann nur dringend empfehlen, sich kompetente Unterstützung ins Haus zu holen. Ein Hundehalter hat ein echtes Problem mit seinem Hund? Dann vermute ich, dass er selbst nicht wusste, wie man dies verhindern kann. Daher ist es sinnvoll, sich Hilfe und Unterstützung zu holen.
Es fühlt sich wirklich gut an, mit seinem Hund wieder auf dem richtigen Weg zu sein. Die Hundehalter sind dann sehr, sehr glücklich – und die Hunde auch.
Bei bissigen Hunden sollte man sich auf jeden Fall Hilfe holen – und definitiv auch an eine Absicherung denken. Maulkorb-Gewöhnung und -Verwendung gehören immer dazu. Bis man einen Plan hat, wie man das individuelle Problem beheben kann, sollten Hundehalter sich vorausschauend verhalten. Das heißt, sich vorerst nicht mehr so stark in Konfliktsituationen zu begeben. Aber letztendlich, denke ich, führt kein Weg daran vorbei, das Problem mit Trainerinnen zusammen anzugehen.
Wie finden Hundehalter den passenden Trainer für ihren Problemhund?
Da sollte man ein bisschen auf sein Bauchgefühl hören. Man muss sich wohlfühlen mit der Person, die einen berät. Man sollte das Gefühl haben, dass es passt. Denn es bringt keine Ergebnisse, mit Trainern zusammenzuarbeiten, bei denen man sich unwohl fühlt. Aus Erfahrung weiß ich, dass es mitunter ein längerer Prozess ist, bei dem man monatelang gemeinsam arbeitet.
Einzel- oder Gruppentraining – was ist für einen Problemhund empfehlenswert?
Die Entscheidung steht und fällt mit dem individuellen Problem. Aber es geht hier ja um wirklich problematische Hunde – oder Menschen, die sehr verzweifelt sind. Da ist es angemessen, sich für eine gewisse Zeit Einzelunterricht zu gönnen, um die Kurve zu kriegen.
Ein Einzeltraining finde ich für den Einstieg sinnvoll. Dabei kann man sehr individuell arbeiten und sich intensiv um das Hund-Mensch-Team kümmern.
Ich arbeite auch gerne mit einer Kombination: erst einmal mit Einzeltraining beginnen und dann ergänzend beispielsweise eine Sozialkontaktgruppe aufsuchen. So können Hund und Halter Hundekontakte üben und die Menschen lernen, sich mit ihrem Hund unter anderen Hunden aufzuhalten. Auch angeleitete Spaziergänge, bei denen sie andere Hunde und Menschen treffen, helfen oft sehr.
Worin liegt die Stärke, wenn Hundehalter zusammenkommen?
Die Hundehalter tauschen sich aus und merken: „Ich bin gar nicht die Einzige mit solch einem Problem.“ So entstehen nebenbei oft dauerhafte Kontakte zu anderen Hundehaltern. In meiner Erfahrung profitieren die Menschen genauso wie die Hunde vom Training – ganz abgesehen vom neu gefundenen Vertrauen und einer verbesserten Hund-Mensch-Beziehung.
Was kostet eine Stunde beim Hundetrainer?
Die Preise für die Beratung und Arbeit mit einem Hundetrainer sind sehr individuell. Eine Einzelstunde kostet in der Regel zwischen 40 und 100 Euro. Gruppenunterricht sowie angeleitete Spaziergänge mit anderen Hunden sind günstiger. Hören Sie sich am besten im Bekanntenkreis um und fragen Sie bei empfohlenen Hundetrainern nach den aktuellen Preisen.