Magendrehung beim Hund: Der gefürchtete Notfall
Wie Sie eine Magendrehung bei Ihrem Hund erkennen und sofort richtig handeln – ein Experten-Interview mit Tierarzt Dr. Andreas Seide
Bei einer Magendrehung ist höchste Eile geboten! Zögern Sie also auf keinen Fall, einen Tierarzt oder eine Tierklinik aufzusuchen, wenn Ihr Hund Symptome einer Magendrehung zeigt. Welche Symptome das sind, welche Ursachen es gibt und was genau die Magendrehung so lebensgefährlich macht, erklärt Dr. Andreas Seide im Interview.
Unser Interviewpartner
Tierarzt Dr. Andreas Seide arbeitet seit 1998 in Bremen mit seinem Team für das Wohl seiner Patienten.
Herr Dr. Seide, was ist überhaupt eine Magendrehung?
Der Magen von Hunden ist frei beweglich und nicht im Körper fixiert – er kann sich verschieben. Bei einer halben Magendrehung verdreht der Magen sich nach vorn. Mageneingang und -ausgang werden dabei abgeschnürt, also die Zugänge zu Speiseröhre und Darm.
Bei einer kompletten Magendrehung dreht sich der Magen einmal vollständig um die eigene Achse.
Das versperrt den Mageneingang und -ausgang gänzlich. Es beeinträchtigt das System der Blutgefäße und es kommt zu einer Durchblutungsstörung des Magens. Je länger Futter im Magen liegt, desto mehr CO2 setzt der Verdauungsprozess frei. Die Gase können jedoch nicht mehr entweichen, der Magen bläht sich immer weiter auf. Das verursacht starke Schmerzen.
Welche Ursachen gibt es für eine Magendrehung beim Hund?
Eine Magendrehung ist ein Erkrankungskomplex. Das heißt, dass es keinen bestimmten Auslöser dafür gibt. In der Regel kommen verschiedene Faktoren zusammen. Meistens ist es eine Kombination aus
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einer sogenannten Motilitätsstörung, also einer Störung der Magen-Darm-Tätigkeit, und
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zu viel Bewegung.
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Eine Magendrehung kann außerdem mit der Muskulatur zusammenhängen.
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Auch schwer verdauliches Essen,
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ein Magen-Darm-Infekt oder
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eine Magenreizung kann es auslösen.
Grundsätzlich befindet sich bei einer Magendrehung immer Futter im Magen. Ansonsten kann der Magen gar nicht erst in Bewegung geraten. Es entstehen keine Gase, kein Aufblähen und kein Drehen.
Wie häufig kommt es bei Hunden zu einer Magendrehung?
Eine Magendrehung bei Hunden kommt immer mal wieder vor. Aber nicht jeder Hund, der direkt nach dem Fressen spielt, bekommt eine Magendrehung. Die Zahlen liegen durchschnittlich bei 3 bis 7 Prozent. Das deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung in der Praxis.
Besonders betroffen sind Hunde mit einem tiefen Brustkorb: zum Beispiel Doggen, Schäferhunde, Berner Sennenhunde, Dobermänner, aber auch Dackel. Es kommt nicht auf die Größe der Rasse an.
Was sind Symptome für eine Magendrehung bei Hunden?
Eine Magendrehung äußert sich in der Regel durch folgende Symptome:
- Zunächst verschlechtert sich das allgemeine Wohlbefinden des Hundes und er wird unruhig.
- In der Regel speicheln Hunde auch. Denn der Speichel lässt sich durch die abgeschnürte Speiseröhre nicht mehr abschlucken. Dadurch haben sie ebenso große Probleme beim Wassertrinken.
- Sie würgen und versuchen sich zu erbrechen. Aber der Zugang ist versperrt.
- Ein weiteres Symptom ist der anschwellende Körper. Da sich der Magen aufbläht, wird der Hund im Bereich des Rippenbogens dicker.
- Es kommt zur Atemnot. Die Atemfrequenz steigt und der Herzschlag wird schneller. Wird nicht rechtzeitig eingeschritten, bricht der Hund unter dieser Kreislaufbelastung zusammen und verstirbt letztendlich.
Wie sollte der Halter bei einer Magendrehung am besten reagieren?
Die häufigsten Fälle treten erfahrungsgemäß abends oder nachts auf. Das liegt meistens an der abendlichen Fütterung. Dann ist es wichtig, schnell zu handeln. Natürlich können Sie versuchen, den Hund zu beruhigen. Ansonsten gibt es für Hundehalter aber leider keine Möglichkeit, zu helfen.
Die Magendrehung ist ein echter Notfall. Und die Zeit ist besonders entscheidend. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Hund so schnell wie möglich von einem Tierarzt oder in einer Tierklinik behandelt wird.
Je nach Gebiet gibt es nächtliche Notdienste, an die Sie sich wenden können. Nicht jede Tierarztpraxis ist nämlich für diese Fälle ausgelegt – denn eine vollständige Magendrehung ist ambulant nicht behandelbar. Der Hund muss stationär aufgenommen und nach der Behandlung noch eine Weile überwacht werden können.
Wie läuft die Behandlung der Magendrehung ab?
Es kommt darauf an, wie weit die Magendrehung fortgeschritten ist. Zunächst lässt der Tierarzt den Druck im Magen ab. Der Arzt rasiert und desinfiziert die Körperstelle und eine große Kanüle schafft kurzfristige Erleichterung. Ist der Magen nicht vollständig gedreht und der Mageneingang noch zum Teil geöffnet, legt der Tierarzt eine Magensonde. Dadurch entfernt er Gas, Flüssigkeiten und Futterreste. In der Regel leitet das Klinikteam zudem eine Schocktherapie ein. Außerdem stabilisieren sie das Gefäßsystem und den Kreislauf mit Medikamenten.
Wann ist eine Operation nötig?
Eine vollständige Magendrehung erfordert immer eine Operation. Denn die Magensonde lässt sich nicht durch einen zugeschnürten Mageneingang legen. Der Tierarzt narkotisiert den Hund und öffnet die Bauchdecke. Dann dreht der Tierarzt den druckentlasteten Magen zurück und legt eine Magensonde. Danach wird der Magen fixiert. Manchmal können durch eine Magendrehung auch Komplikationen am Gewebe entstehen. Das musste unter der ausbleibenden Durchblutung leiden. Unter Umständen entfernt und näht das Klinikteam deswegen Teile der Magenwand. Ersteres gilt auch für die Milz.
Was kostet die Operation bei einer Magendrehung des Hundes?
Die Behandlung einer Magendrehung ist sehr aufwendig. Das kann schon mehrere tausend Euro kosten. Die Operation an sich ist dabei meistens gar nicht der Hauptkostenfaktor. Der Preis setzt sich zusammen aus
- der Dauer und der Art der stationären Nachbehandlung,
- dem Einsatz des Notdienstes oder auch
- der Anzahl der involvierten Arbeitskräfte.
Um diesen Kosten vorzubeugen, empfiehlt sich in manchen Fällen eine Krankenversicherung für den Hund.
Wie hoch ist die Überlebenschance eines Hundes mit einer Magendrehung?
Bei einer halben Magendrehung sind die Überlebenschancen recht hoch. Mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten haben aber auch Hunde mit einer kompletten Magendrehung eine gute Chance. Voraussetzung: Der Hund kommt innerhalb der ersten 1–2 Stunden zu einer Behandlung. Mit jeder weiteren Stunde sinkt diese Prognose rapide.
Welche Folgeschäden kann eine Magendrehung mit sich bringen?
Die Stunden und Tage direkt nach der OP sind am kritischsten. Durch die erneut einsetzende Durchblutung entwickeln manche Hunde eine Herzrhythmusstörung. Das muss durch ein EKG überwacht und durch eine individuell angepasste Menge an Medikamenten behandelt werden. Die Wundheilung des Schnitts dauert etwa 10 Tage. Dann werden die Fäden gezogen. In dieser Zeit kann der Hund aber schon wieder nach Hause.
Es ist wichtig, den Hund in den ersten 3–4 Wochen mit kleinen Mengen leicht verdaulicher Kost zu versorgen. Zur Not auch mehrmals am Tag. Dadurch erholen sich Magen und Darm. Auch die Bewegung des Hundes sollten Sie in dieser Zeit einschränken.
Danach können Sie die Fütterungszeiten reduzieren und die Mengen des gewohnten Futters wieder erhöhen. Hierzu können Sie dieses Futter unter die leicht verdauliche Kost mischen und stetig erhöhen. So gewöhnen Sie Ihren Hund langsam um. Ebenso vorsichtig sollten Sie Ihren Hund an zunehmende Bewegung gewöhnen. Dadurch reduzieren Sie das Risiko, dass die Wunde aufreißt und sich die Fixierung des Magens löst.
Nach dem Erholungsprozess führen die Hunde wieder ein ganz normales Leben. Folgekrankheiten gibt es in diesem Sinne nicht.
Kann man einer Magendrehung vorbeugen?
Hunde, die einmal unter einer Magendrehung erkrankt sind, haben ein erhöhtes Risiko, dass dies erneut geschieht. Vor allem, wenn der Magen nach der Operation nicht fixiert wird. Etwa 20 Prozent erkranken ein weiteres Mal. Sie können das Risiko einer Magendrehung auch ohne Vorerkrankung senken, indem Sie auf schwer verdauliches Futter verzichten. Wichtig ist außerdem, dass Sie große Spaziergänge sowie Spielen und Toben angehen, wenn der Hund nüchtern ist.
Planen Sie Ihren Tag so, dass der Hund sich erst bewegt und dann frisst. Sorgen Sie dafür, dass er nach seiner Fütterungszeit genug Zeit und Ruhe hat, um zu verdauen.
Diese Vorgehensweise senkt das Risiko einer Magendrehung, kann sie aber nicht immer verhindern. Mit diesen Tipps sind Sie jedoch bestens gewappnet.