Welcher Hund passt zu mir?
Hundetrainer Bernd Baron im Interview: Warum rassetypische Eigenschaften allein nicht aussagekräftig genug sind
Sie spielen schon länger mit dem Gedanken, sich einen Hund zuzulegen? Dann fragen Sie sich vielleicht: Welcher Hund passt am besten zu mir? Das haben wir Hundetrainer Bernd Baron gefragt, denn er arbeitet seit über 20 Jahren mit unterschiedlichsten Hunden und Haltern zusammen. Eins wurde im Interview sofort klar: Es ist hier nicht ausreichend, sich ausschließlich mit rassetypischen Eigenschaften zu beschäftigen – denn die sind keine Garantie für ein harmonisches Zusammenleben. Doch wenn die Genetik allein nicht genug Antworten liefert, worauf müssen Sie dann achten? Im Artikel erfahren Sie, welche Fragen wirklich wichtig sind, wenn Sie sich für einen Hund entscheiden wollen.
Ein Interview mit Bernd Baron – ein Hundetrainer, der für faires Hundetraining wirbt
Bernd Baron ist zertifizierter Hundetrainer, der seit über 20 Jahren Hunde trainiert und sich gewaltfreie Trainingsmethoden auf die Fahne geschrieben hat. Trainieren statt dominieren – diesem Leitsatz haben sich Bernd Baron und weitere Hundetrainer verpflichtet. Bernd Baron versteht sich in seinen Trainings auch als „Anwalt des Hundes“ und versucht Haltern die Perspektive des Hundes näherzubringen. Durch seinen eigenen Hund hat sich die Leidenschaft zum Hundetrainer entwickelt. In über 430 Schulklassen konnte er mit seinem Rüden Buddy den Kindern die „Angst vorm großen Hund“ nehmen. Als selbstständiger Trainer hilft er Hundehaltern außerdem in Einzeltrainings.
Herr Baron, warum sind rassetypische Eigenschaften oftmals weniger aussagekräftig, als viele glauben?
Ich arbeite seit über 20 Jahren mit unterschiedlichsten Hunden und ihren Haltern zusammen. Während meiner Arbeit habe ich so wahrscheinlich über 1000 Hunde kennengelernt. Dabei wurde mir sehr schnell klar, dass es bei Rassen zwar einen „roten Faden“ fürs Verhalten und die Charaktereigenschaften gibt, aber die Unterschiede von Hund zu Hund oftmals viel größer sind als die Gemeinsamkeiten.
Die Erfahrung zeigt: Wenn eine Hündin acht Welpen bekommt, dann sind alle unterschiedlich.
Ein Beispiel: Ein Border Collie ist ein Hütehund, und der hütet natürlich gern. Aber alle anderen Eigenschaften können ganz individuell ausgeprägt sein. Viele Eigenschaften kommen im Laufe des Lebens dazu, durch positive und negative Erfahrungen, die den Hund prägen. Es passieren viele Unfälle, weil sich Halter auf die rassetypischen Eigenschaften verlassen. Viele gehen zum Beispiel davon aus, dass ein Golden Retriever immer kinderlieb ist – aber das ist Quatsch. Hat dieser Hund negative Erfahrungen mit Kindern gemacht, dann beeinflusst dies wahrscheinlich auch sein Verhalten gegenüber Kindern. Wichtig: Jeder Halter trägt die Verantwortung dafür, wie sich der eigene Hund entwickelt. Der Halter hat das in der Hand. Und muss mit der Verantwortung umgehen können.
Was ist für das zukünftige Verhalten eines Hundes prägender: Genetik oder erlerntes Verhalten?
Genetik macht natürlich einen Teil aus. Aber das, was ein Hund lernt, und welche Erfahrungen er in seinem Leben macht, das überwiegt deutlich. Werden die genetisch bedingten Wesensmerkmale eines Hundes nie beansprucht oder gefördert, dann überwiegt das erlernte Verhalten umso mehr. Genetik kann also gefördert werden oder auch nicht. Es gibt natürlich einige Eigenschaften, die Hunde meist nicht ablegen können. Der Border Collie bleibt ein Hütehund. Und der Hovawart ein guter Wachhund. Das ist in der Regel eine genetisch bedingte Eigenschaft, für die der Hund einmal gezüchtet wurde. Die anderen erlernten Eigenschaften, die wir Menschen oft wichtig finden – „Ist der Hund kinderlieb?“, „Kann ich mit ihm joggen gehen?“, „Kann ich ihn mit ins Büro nehmen?“ – haben mit der Genetik nicht so viel zu tun, sondern mit dem erlernten Verhalten.
Welche Fragen muss sich ein Mensch stellen, der sich einen Hund zulegen möchte?
Sie möchten sich einen Hund zulegen?. Diese Frage müssen Sie sich dann stellen: „Warum will ich einen Hund haben?“ Und die Antwort darf dann eigentlich nur lauten: „Weil ich Hunde liebe.“ Leben Sie in einer Partnerschaft oder Familie, müssen Sie sich natürlich auch fragen: „Lieben die anderen ebenfalls Hunde?“
Gehen Sie in sich und fragen Sie sich ganz ehrlich, warum Sie einen Hund wollen. Lautet die Antwort klar „Weil ich Hunde liebe“, dann ist das die richtige Grundvoraussetzung.
Warum diese Frage so wichtig ist? Weil Hunde häufig aus ganz anderen Gründen gekauft werden. Hunde werden immer mehr zum Statussymbol – insbesondere Rassehunde. Viele Familien haben im Kopf, dass ein Hund genauso zum idealen Familienleben gehört wie ein Haus mit Garten. Die Werbung vermittelt dieses Bild ausgiebig.
Ich begegne auch immer häufiger Menschen, die sich auf therapeutischen Rat hin einen Hund zulegen möchten – weil sie beispielsweise unter Depressionen leiden. Diesen Menschen kann ein Hund natürlich helfen, aber man darf dabei nie vergessen zu ergründen, ob dies auch für den Hund der richtige Halter ist. Das ist natürlich ein sensibles Thema.
Welche Faktoren muss ich beachten, um zu wissen, welcher Hund zu mir passt?
Menschen haben ganz individuelle Wünsche an ihr Leben mit einem Hund. Die einen wollen sehr aktiv mit ihrem Hund sein. Andere wünschen sich eher einen gemütlichen Gefährten. Oft wird der Wunsch eines kinder- und familienfreundlichen Hundes geäußert. Aber auch Rentner mit einer ganz anderen Lebenssituation suchen nach einem idealen Hund.
Anhand dieser 3 Faktoren können Sie die Wahl des richtigen Hundes besser eingrenzen:
1. Anatomie des Hundes
Kurzbeinige Hunde eignen sich mehr für Menschen, die nach einem Hund suchen, der vergleichsweise weniger Bewegung braucht.
Kurznasige Hunde sind für diese Menschen ebenfalls interessant, denn aufgrund ihrer Anatomie sind sie nicht für anstrengende Auslastung geeignet (die Kurzköpfigkeit bzw. Brachycephalie ist für viele Hunde ein großes gesundheitliches Problem. Wählen Sie deshalb immer einen seriösen Züchter.)
Agile Hunde sind eher für Menschen geeignet, die gerne aktiv mit ihrem Hund sind – zum Beispiel joggen gehen oder Agility-Training machen wollen.
Die richtige Hund-Halter-Passung ist wichtig. Der Hund darf nicht kräftiger sein als sein Halter, sonst kann der im Zweifelsfall die Leine nicht halten.
Große Hunde eignen sich oft besser für Familien als kleine. Das hätten Sie nicht gedacht? Es gibt einen einfachen Grund: Die Wahrscheinlichkeit, dass Hunde kinderlieb bleiben, ist natürlich viel höher, wenn sie keine schlechten Erfahrungen mit Kindern machen. Besonders bei mehreren Kindern wird es für Eltern schwer, zu unterbinden, dass die Kinder den Hund ständig anfassen, hochheben und nerven. Kleine Hunde sind diesen Situationen meist stärker ausgesetzt als große Hunde. Einen großen Hund kann ein kleines Kind nicht einfach aus dem Korb nehmen. Außerdem werden die Signale eines großen Hundes erfahrungsgemäß ernster genommen, als wenn zum Beispiel ein kleiner Hund knurrt oder die Zähne fletscht. Vergessen Sie bitte niemals, dass Sie Hund und Kleinkinder nicht aus den Augen lassen.
2. Alter des Hundes
Welpen brauchen viel Zeit und Ruhe – sie benötigen bis zu 22 Stunden Schlaf am Tag. Und sie können nicht alleine bleiben. Bei einem turbulenten Familienalltag müssen Sie sich fragen, ob das realistisch ist und der Welpe ausreichend schlafen kann. Schaffen Sie in jedem Fall einen sicheren Rückzugsort für den Welpen. Er braucht einen Platz, an dem er in Ruhe schlafen kann und ihn z. B. Kleinkinder nicht stören können – Welpengitter oder Hundeboxen sind Möglichkeiten dafür.
Die Erfahrung zeigt, dass oftmals Rentner die idealen Voraussetzungen für einen Welpen mitbringen. Meist haben sie ausreichend Zeit und ein ruhiges Zuhause. Das heißt nicht, dass sich Familien grundsätzlich keinen Welpen zulegen sollten. Allerdings muss ihnen bewusst sein, welch große Aufgabe sie damit haben.
Ältere Hunde – zum Beispiel solche aus dem Tierheim – sind für viele Personengruppen geeignet. Ältere Hunde haben in der Regel schon gelernt, welche Signale sie geben müssen, wenn sie ihre Ruhe brauchen. Es ist somit oft sinnvoll, dass sich Familien mit Kindern für einen älteren Hund entscheiden. Hier muss natürlich vorher klar sein, dass er sich auch gut mit Kindern versteht. Im Alter werden Hunde meist ruhiger. Ältere Hunde eignen sich deshalb auch für Menschen, die nicht mehr ganz so viel Trubel möchten.
3. Charakter des Hundes
Jeder Hund tickt ein bisschen anders – genau wie wir Menschen auch. Die Rasse ist dafür (wie schon erläutert) nur bedingt entscheidend. „Beschnuppern“ Sie den auserwählten Hund also erst mal genauer und entscheiden Sie dann, ob seine Wesenszüge gut zu Ihnen passen.
Welcher Hund am besten zu mir passt? Das mache ich nicht an der Rasse fest, sondern am Charakter des Hundes.
Sonderfall: der „Ein-Mensch-Hund“
Ein „Ein-Mensch-Hund“ ist ein Hund, der besonders eng an eine bestimmte Person gebunden ist. Er zeigt oft eine ausgeprägte Anhänglichkeit und Loyalität gegenüber seinem Halter. Diese besondere Hund-Mensch-Bindung tritt häufiger bei folgenden Rassen auf: Deutscher Schäferhund, Dobermann, Bouvier de Flandres und Chow-Chow.
Wie erkenne ich den Charakter eines Hundes am besten?
Bei Welpen vom Züchter ist das eigentlich ganz einfach. Der Züchter kennt die kleinen Vierbeiner seit Tag eins. Und die unterschiedlichen Persönlichkeiten kristallisieren sich in den ersten Tagen und Wochen schnell heraus. Ein guter Züchter kann Ihnen schon viel zu den Eigenschaften der Welpen sagen. Auch wenn Sie den Wurf die ersten Male besuchen, können Sie bereits verschiedene Charaktere erkennen. Passt zu Ihnen eher die kleine Schlafmütze oder der aufgeweckte Frechdachs?
Bei Hunden aus dem Tierheim ist es immer sinnvoll, den Hund (der für Sie passend erscheint) erst besser kennenzulernen. Tierheime haben dafür unterschieliche Vorgehesnweisen. Meist lernen Sie den Hund auf mehreren gemeinsamen Gassirunden kennen. Manchmal ist es auch möglich den Hund dann für ein paar Tage mit nach Hause zu nehmen. Im Tierheim können Hunde oft nicht ihren echten Charakter zeigen, da sie stark durch die anderen Hunde beeinflusst werden. Wenn er außerhalb des Tierheims oder bei Ihnen zu Hause zur Ruhe kommt, können Sie Ihren zukünftigen Hund am besten kennenlernen.
Wichtig: Bedrängen Sie Ihr neues Familienmitglied am Anfang nicht. Lassen Sie ihn ankommen und geben Sie ihm Zeit zum Eingewöhnen. Fast jeder Hund wird früher oder später den Kontakt suchen. Sie können einen Hund aus dem Tierheim z. B. am Anfang aus Ihrer Hand füttern, um Vertrauen aufzubauen. Dafür eignet sich Trockenfutter, z. B. das RINTI MAX-I-MUM.
Welche Hunde eignen sich am besten für Anfänger und welche für erfahrene Halter?
Auch hier kommt es weniger auf konkrete Rassen an. Allerdings ist es wichtig, in Showlinie und Arbeitslinie zu unterscheiden. Innerhalb einiger Rassen gibt es diese Linien mit verschiedenen Zuchtzielen. Ihre Vertreter unterscheiden sich durch Körpergröße, Fellbeschaffenheit, Körperbau, Farbmuster, Persönlichkeit und Bewegungsdrang.
- Arbeitslinie: Hunde aus einer Arbeitslinie sind meist aktiver und anspruchsvoller. Sie wollen arbeiten, denn dafür wurden sie gezüchtet. Hunde aus der Arbeitslinie sind oftmals sehr lernwillig, brauchen dafür aber einen erfahrenen Halter. Sie werden häufig zu Arbeitshunden in unterschiedlichen Bereichen ausgebildet.
- Showlinie: Das ist die Standardzucht ohne Leistungsprüfung. Bei der Zucht stehen das Aussehen und der Charakter mehr im Fokus als die Arbeitsfähigkeit. Beispielsweise ist die Jagdmotivation deutlich weniger oder gar nicht ausgeprägt. Hunde aus der Showlinie sind meist einfacher zu führen und sind deshalb mehr für Ersthundebesitzer zu empfehlen.
Grundsätzlich kann man sagen, dass sich Hunde der Arbeitslinie meist eher für Erfahrene eignen – und Hunde der Showlinie für Anfänger.
Ein Beispiel: Der Labrador hat eine Arbeits- und Showlinie. Die Arbeitslinie ist schlanker, kleiner und hat einen schmaleren Kopf. Zudem haben Hunde dieser Linie einen stärker ausgeprägten Willen zu gefallen („Will to please“) als Hunde der Showlinie. Somit können die Hunde der Arbeitslinie noch besser für Jagdaufgaben eingesetzt werden. Labradore der Showlinie haben dagegen meist ein ruhigeres Temperament, einen breiteren Kopf und sind massiger.
Einen Hund fürs Büro, gibt’s das?
Sie fragen sich, welcher Hund gut in Ihr Büro passt? Hier lassen sich auf jeden Fall Hunde mit ausgeprägtem Territorialverhalten ausschließen. Das ist das Verhalten, das der Verteidigung des Reviers gegenüber Konkurrenten dient. Dazu zählt das Markier-, Kontroll- und Verteidigungsverhalten. Wollen Sie einen ruhigen Hund am Arbeitsplatz, dann ist die Wahl eines Hundes ohne oder mit nur geringem Territorialverhalten ratsam.
„Welcher Hund passt zu mir?“ – Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Im ersten Schritt müssen Sie sich die oben genannten Fragen erst einmal selbst stellen. Im zweiten Schritt schauen Sie sich Ihren auserwählten Hund genauer an. Sprechen Sie ausführlich mit dem Züchter oder den Experten aus Tierheim oder Tierschutz. Lassen Sie sich Zeit und treffen Sie keine vorschnelle Entscheidung. Wenn Sie sich die genannten Themen und Fragen zu Herzen nehmen, werden Sie einen passenden Hund finden.